laut.de-Kritik

Mit voller Inbrunst gegen schlechte Beats.

Review von

1981, We're the Kids in America. Ein viertel Jahrhundert ist das jetzt her, dass es Kim Wilde mit ihrer typisch nasalen Stimme und ihrem Dance-Pop auf die BRAVO-Titelblätter geschafft hatte. Nach den goldenen Jahren folgte der klassische Katzenjammer der Achtziger-Popsternchen: Von der Spitze der Charts ins Niemandsland, ein paar mehr schlechte als rechte Anläufe zurück auf den Popthron in den 90ern. Danach mehr oder weniger Sendepause.

Nun, Kim Wilde hat es gut verkraftet. Sie ging zum Fernsehen, schrieb Bücher, hatte Engagements beim Musical und wurde anerkannte Expertin zum Thema Gartenarbeit. Eine schöne Geschichte soweit. Jetzt mit fast 46, und ermutigt durch das erfolgreiche Duett mit Nena, wagt sie wieder ein Comeback.

Acht neue Songs, meist aus der Feder von Bruder Rick, finden sich auf "Never Say Never". Der Rest besteht aus altbekannten Hits, die aber unter der Regie von Nena-Keyboarder Uwe Fahrenkrog-Petersen (sic!) neu aufgenommen wurden. Ein solches Hybrid-Konzept klingt zunächst ja mal höchst verdächtig und wirft die üblichen Fragen auf: Kann der neue Stoff dem alten Material nicht das Wasser reichen oder traut man der Dame aus West London nur nicht so ganz zu, mit neuen Songs ein nennenswertes Publikum zu gewinnen?

Der Opener verweist jegliche Spekulationen vorerst in die Schranken. "Perfect Girl" gibt die Marschroute an, die man eigentlich erwarten würde. Klassischer Gute-Laune-Pop der 80er Schule mit einer Sängerin, die klingt, als sei sie damals nur kurz Kaffee holen gegangen. Die alten Klassiker "You Came" und "Four Letter Word" werden vom 80er Synthie-Mief etwas entstaubt, aber letztendlich doch wenig inspirierend neu eingespielt. Nett gemacht, nicht gerade sensationell, aber soweit noch ganz in Ordnung.

Leider versucht sich Produzent und Popstars-Jurymitglied Fahrenkrog-Petersen dann bei Liedern wie "Forgive Me" jedoch an einer geraden Dance-Bassdrum, und das klingt bei unsachgemäßer Anwendung halt ziemlich dürftig. Auch die neue Version von "View From A Bridge" ist ein ganz schlimmer Versuch, Popsongs für den Dancefloor aufzupeppen. Schuster bleib bei deinen Leisten! Das Gleiche gilt für einen der größten Hits von Kim, das Supremes-Cover "You Keep Me Hangin On", aus dem ein saft- und kraftloser Discostampfer gemacht wird, auf dem sich Nena mit einem Gastauftritt für Kim Wildes Feature auf "Anyplace, Anywhere, Anytime" revanchieren darf. Nein, danke. Das süßliche "Baby Obey Me" hat zwar das Zeug zum Teeniepop Ohrwurm mit Top-Platzierungen in den Klingeltoncharts, groovt mit seinem unbedarften Offbeat-Rhythmus aber leider weit weniger als beabsichtigt.

Fast der einzige alte Track, bei dem die Mannschaft im Studio nichts Gravierendes falsch macht, ist das nur wenig veränderte "Kids in America", DER Kim-Wilde-Hit schlechthin, der immer noch für Rollschuh- und Netzhemderinnerungen gut ist. Von den neuen Produktionen bewegen außer dem erwähnten "Perfect World" nur das ungestüme "Game Over" und das pathetische, mit originaler 80er Melancholie angereicherte "Lost Without You". So würde man sich das doch auf Albumlänge wünschen und gut wär's. Doch zu viele andere Titel auf dieser CD sind abschreckende Beispiele dafür, wie Pop 2006 lieber nicht klingen sollte. Kim Wilde selbst kann da wahrscheinlich am wenigsten dafür. Sie singt mit voller Inbrunst und markantem Organ gegen schlechte Beats und unoriginelles Arrangement an. Nein, das hat sie so nicht verdient.

Elektronik-Veteran Paul Oakenfold nimmt sich abschließend noch "Cambodia" für einen Remix zur Brust, der sich leider in die Beliebigkeit nahtlos einreiht, wenigstens aber mit seinen altbackenen Ravesounds noch ein kleines Bisschen Spaß macht. Ansonsten ist die Musik meist mit dem Dampfhammer so einfallslos und töricht auf modern getrimmt, dass man – auch als Fan – auf dieses Album durchaus verzichten kann oder hoffen muss, dass sie es live irgendwie besser umsetzt. Man kann der Guten beim nächsten Mal wirklich nur andere Produzenten ans Herz legen, dann kann das sogar wieder richtig abgehen mit der Dame.

Trackliste

  1. 1. Perfect Girl
  2. 2. You Came
  3. 3. Together We Belong
  4. 4. Forgive Me
  5. 5. Four Letter Word
  6. 6. You Keep Me Hangin' On (feat. Nena)
  7. 7. Baby Obey Me
  8. 8. Kids In America (feat. Charlotte Hatherley)
  9. 9. I Fly
  10. 10. Game Over
  11. 11. Lost Without You
  12. 12. View From A Bridge
  13. 13. Maybe I'm Crazy
  14. 14. Cambodia (Paul Oakenfold Remix)

Preisvergleich

Shop Titel Preis Porto Gesamt
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Wilde,Kim – Never Say Never €9,89 €3,00 €12,89
Titel bei http://www.amazon.de kaufen Wilde,Kim – Never Say Never-Deluxe Edition (CD + DVD) €82,38 Frei €85,38

Videos

Video Video wird geladen ...

Weiterlesen

LAUT.DE-PORTRÄT Kim Wilde

Ihre Hitsingles "Kids In America" und "Cambodia" finden sich heute auf jeder Compilation, die die Anstrengung unternimmt, einen Hauch von New Wave einzufangen.

Noch keine Kommentare