laut.de-Kritik
Der alte Mann des Ska verweist die Jugend auf die Plätze.
Review von Michael SchuhEndlich! Laurel Aitken, scheinbar nimmermüder Handlungsreisender in Sachen Ska, legt nach dem großartigen Alterswerk "The Story So Far" von 1995 nun doch noch eine Schippe nach. Und ich dachte schon, mit den zahlreichen Grover Re-Issues alter Aitken-Classics sollte der Fanblick gottväterlich auf die Vergangenheit gelenkt werden.
In der Gegenwart darf dagegen eifrig spekuliert werden: Liegt die Frische dieses Albums an der langen Studiopause oder etwa am Aufnahmestandort Tübingen, der im Laufe der Musikgeschichte weniger als Hort kreativer Überflieger und schon gar nicht als Little Jamaica aufgefallen ist? Tja, das war einmal: Mit der Court Jester's Crew unterstützen Aitken auf "Jamboree" die erfolgversprechendsten Ska&Reggae-Newcomer jüngerer Zeit, sesshaft in besagtem Studentenstädtchen am Neckar.
Neun Mann stark, zähle ich die Crew auch zu den Hauptverdächtigen für Laurels Sturz in den Jungbrunnen. Angefangen mit dem luftigen Ska-Beat von "Jamboree" über den Pianobar-Groove von "Dance Wid' Me, Baby" erfährt die Scheibe mit "Get Ready Rock Steady" ihren ersten Reggae-Höhepunkt. "Rudeboy Is Back In Town", das wie schon "Rudie Got Married" (1980) musikalisch und thematisch auf dem Ska-Klassiker "A Message To You, Rudie" basiert, rechtfertigt hingegen Aitkens Adelstitel "Godfather of Ska". Klassikerchancen im Stile von "Sally Brown" kleiden die lyrische Heldentat "Woman Is Sweeter Than Man" im neuen Abstepp-Gewand (plus neuer Strophe!). Hochachtung nebenbei an Aitkens vielseitige Vokalleistung.
Puh. Sehr erfreulich alles. Ob er aber "Brown Eyed Girl", Van Morrisons ungefähr vier Millionen Mal gecoverte Smiley-Folknummer hätte überarbeiten müssen, möchte ich dann doch in Frage stellen. Egal, die Fünf-Punkte-Wertung ist gesafed: ob der Godfather wie in Curtis Mayfields "We People" ebenso anklagend Gerechtigkeit fordert wie die verstorbene Soullegende oder ob er in gewohnter Manier den betagten Tanzlehrer gibt; "Jamboree" klingt gegenüber "The Story So Far" einfach runder und homogener.
Gleichzeitig gibt's neun Goldmedaillen für die CJC-Gang aufgrund gelungener Seniorenanimation. Dass der alte Mann des Ska nochmal derart die Zähne bleckt, war nicht zu erwarten. Ab in den Proberaum, ihr Jungspunde.
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