laut.de-Kritik

Selbstgefälliges Debüt der 18-jährigen Rockgöre.

Review von

"Ich bin Liza Li, weil ich nun mal so heiße, manchmal bin ich nett und manchmal scheiße." So stellt das Teenie-Girl sich im gleichnamigen, rockigen Opener ihres Albums "18" vor. Und diese Zuschreibung lässt sich treffend auch auf ihr Debüt beziehen.

Die beiden Singles "Ich Könnte Dich Erschießen" und "Sterben" veranschaulichen die musikalische Bandbreite und das Konzept der 18-jährigen Düsseldorferin. "Ich Könnte Dich Erschießen" dröhnt enorm punkrockig aus den Boxen, kreischend trägt Liza einen derben Text vor. "Meine Antwort ist: Hass/Ich könnte dich erschießen/ richtig Blut vergießen/ diese kleine Schlampe gleich dazu", singt sie.

Weil Liza Li natürlich nie jemanden erschießen würde, entpuppt sich diese destruktive Fantasie schließlich als Traum. Man sollte sie ins Schlaflabor schicken. "Sterben" hingegen ist eine Midtempo-Pop-Nummer mit Streicher-Einlagen, in der Liza die Liebe idealisiert, die derart wunderbar ist, dass sie in diesem Moment sterben möchte. So offenbaren sich extreme, kontroverse Positionen, die die Machart des Debüt-Albums prägen.

Der Musikerin wird hier eine ambivalente und provokative Identität übergestülpt, an der Produzent Thorsten Börger (Tic Tac Toe, Falco) ordentlich mitgebastelt hat.
Das egozentrische Ich steht ganz fett im Vordergrund. Auf der einen Seite die radikale Röckgöre, die auf Konventionen scheißt, auf der anderen das leise, sehnsüchtige Mädchen mit einer klaren Stimme, das sich anpasst und wieder gut in die patriarchalische Vorstellungswelt passt. Provokativ und kontrovers, aber nie Grenzen sprengend. In diesem Spannungsfeld bewegt sich die komplette Platte.

"Zum Glück Macht Liebe Blind" kommt in bester, spaßiger Ärzte-Manier daher. Flotter Song mit hübschen Harmonien und Vogelgezwitscher und einem Text, den man stehen lassen kann, weil er sich selbst nicht so wichtig nimmt. "Warum sind alle schönen Männer blöd, vergeben oder schwul/ da kann doch irgendwas nicht stimmen/ denn nur die Hässlichen und weniger gut Aussehenden sind cool" bemerkt Liza augenzwinkernd.

Eine Akustik-Gitarre bildet die Basis im angenehm instrumentierten "Hörst Du Mich", dem wohl reifsten Stück der Platte. Toller Gesang, toller Melodiebogen und ein Text, der eine beendete Beziehung reflektiert, ohne auf Machtausdrücke zurückzugreifen. Aber dann folgt ein Metal-Gitarren-Riff in dem Stück "Sex", das so gar nicht zu dem artikulierten körperlichen Begehren passen mag. Der Refrain klingt dann plötzlich ganz lieblich und unbedrohlich: "Sex mit dir/jetzt und hier/ich weiß nicht, was ich tun soll/Sex mit dir/ aber nur aus Liebe." Hier spricht wieder das brave Mädchen, das sich dann in "Ich Will" zu Streicherarrangements auszieht für einen Kerl, der sie gar nicht will, sie ihn aber gerade deshalb will. Masochismus?

Anschließend übt Liza Gesellschaftskritik. Sie beschreibt den sich selbst durch Arbeit und Schule entfremdeten Menschen mit einer lauten und brüchigen Stimme, wieder zu treibenden Rockgitarren. Das dramatisch arrangierte "Im Namen Gottes" beklagt Kriege und Leid, die im Namen des Herrn verübt wurden und werden.

Und höre da, in "Komm Zurück" will sie den Jungen zurück haben, den sie betrogen hat; und der ganze anarchische Gestus, der das Album bis hier durchzieht, verkehrt sich ins Gegenteil. In "Doktor Doktor" wird die oft tabuisierte Masturbation (hier unter der Dusche) zum Thema, wieder zu dem sich wiederholenden, diesmal orgasmischen Rock-Gitarren-Riff, das allmählich nervt. "Alle tun es heimlich/ fast allen ist es peinlich/ aber manchmal muss es einfach sein", brüllt Liza. Die Absicht ist ehrwürdig, die Umsetzung eher albern.

Liza Lis Debüt positioniert sich musikalisch irgendwo zwischen LaFee, den Ärzten, Nina Hagen, Juli und Ideal. Lyrisch lässt sie sich mit den Genannten nicht vergleichen.

Die stimmbegabte Liza Li belebt die deutsche Poplandschaft zweifellos, auch wenn die Berechenbarkeit und die penetrante Inszenierung des Teenies nicht zu überhören und auch auf dem Cover-Artwork nicht zu übersehen sind. Die Debatte ist eröffnet. "18" ist provokativ, kleinlaut, selbstgefällig und aufdringlich, die vermeintliche Offenheit wirkt nach mehrmaligem Hören derart plakativ, das ich den Kopf schütteln muss. Naiver Übermut paart sich mit einer raffinierten - mal rauen, mal sanften - Produktion. "18" hält für jeden emotionalen Zustand eines Teenies den geeigneten Song mit dem entsprechenden Inhalt bereit. Auch wenn es sicher lehrreicher wäre, Nena-Texte zu studieren.

Wenn "18" der Blick der heutigen Jugend auf die Welt ist, dann bin ich ehrlich froh, aus dieser Sache raus zu sein.

Trackliste

  1. 1. Liza Li
  2. 2. Ich Könnte Dich Erschießen
  3. 3. Zum Glück Macht Liebe Blind
  4. 4. Sterben
  5. 5. Hörst Du Mich
  6. 6. Sex
  7. 7. Ihr Armen Reichen
  8. 8. Ich Will
  9. 9. Montag
  10. 10. Im Namen Gottes
  11. 11. Komm Zurück
  12. 12. Doktor Doktor

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