laut.de-Kritik
Rauhes, authentisches 70er- 'Lieb mich in der Obstplantage' -Soundbild
Review von Michael SchuhAus dem Stall des renommierten US-Kultlabels K galoppiert ein Retrorock-Rennpferd Richtung Europa, das, wie ich hoffe, nicht mehr aufzuhalten ist. Make Up nennt sich das Quartett aus Washington, das mit "Save Yourself" ein wirres Kunstwerk zustande gebracht hat. Das Artworkdesign könnte dem vor-vorletzten Jahrzehnt nicht stilsicherer Rechnung tragen, die Spontaneität des Inhalts mit dem düsteren Livephoto nicht besser eingefangen werden.
Hach, immer diese Lobhudeleien. Und wofür, fragt Ihr zurecht? Für eine ziemlich radikale Annäherung an traditionelle Songstrukturen, die an Jon Spencer und seine Blues-Explodierer erinnert. Wobei hier keine Krachorgien ausufern, sondern Melodien unangetastet im Raum schweben, um vernebelten Improvisationen den berühmten, freien Lauf zu lassen.
Datenautobahnen interessieren keinen, das Technikzeitalter schon gar nicht. Alles was zählt ist "spiritual feel": Gott ist der Bezugspunkt hoch im Himmel droben und die Band fest mit der Erde verwurzelt, bis zu den Hüften mindestens. Aus welchen sie dann einen Soundtrack schiessen, in dem Rock'n'Roll an der Gospel-Gurgel kräftig gewürgt wird. Ein psychedelischer Brandsatz auf dem Weg zur Whiskey-Bar, Purple Haze im Schleudergang.
Die im Opener schwindelig hohe, immerzu "Dr. Frankenstein" quäkende Stimme von Ian Svenonius, die tatsächlich auf allen Stücken dieses Albums gurgelt, ist nicht leichter verdaulich als es manche Songs sind. Doch vermittelt gerade sie mit kickenden "Oh Yeah"-, "Come On Baby"- und "Suck It To Me"-Einwürfen den dynamischen Jam-Charakter, eben das typisch rauhe, authentische 70er-"Lieb-mich-in-der-Obstplantage"-Soundbild der Platte.
Den finalen Genickschuss riskieren die drei Männer und die süsse Bassistin Michelle mit ihrer Coverversion des Klassikers "Hey Joe". Obwohl anfänglich stark ans Original angelehnt, steht die Make Up-Version schnell auf eigenen Beinen: Nicht zuletzt durch Michelles Vokalbeiträge und natürlich den völlig absurden Telefonanruf von Joe aus Mexiko (!) gegen Ende der Nummer.
Nun machen vertrackte Kompositionsgebilde kombiniert mit instrumentaler Virtuosität natürlich noch keine guten Songs. Umso erstaunlicher, dass Make Up auch mit diesem Wissen gesegnet, über die vollen 36 Minuten hinweg glänzen.
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