laut.de-Kritik
Glasgow oder London? Nein, Berlin.
Review von Giuliano BenassiEs gehört zu den unerklärlichen Geheimnissen der Unterhaltungsindustrie, warum großartige Bands wie Teenage Fanclub oder High Llamas nie den großen Durchbruch schaffen. Sie boten alles Notwendige: Gute Melodien, einprägsame Arrangements, Persönlichkeit. Doch ihr Noise-Pop fand erstaunlich wenig Abnehmer, auch wenn sie mittlerweile so etwas wie Kultsstatus genießen.
Von Namen her reichen Man Behind Tree an die Glaswegians oder Londoner nicht heran, musikalisch bewegen sie sich aber in dieselbe Richtung: feiner Indiepop mit verzerrten Gitarren und Luft zum Atmen. Dabei kommen sie nicht aus dem englischsprachigen Raum, sondern sind eine in Berlin ansässiges deutsch-französisches Ensemble.
Mit dem eher ruhigen "Wake Up On A Blind Spot" beginnt das Album mit einer verträumten Note. Mit "Carrot Junkie Bait", der Single mit dem hoffnungsvollen Titel "It Might Get Better On Pills" oder "Nameless Baby Zones" sorgt die vier- bis fünfköpfigen Band mit schrammeligen E-Gitarren und eingestreuten elektronischen Geräuschen auch für bewegte Momente.
Mit dem leierartigen Klang einer indischen Shrutibox im Hintergrund, eher ein Grundrauschen, kommen auch immer wieder Erinnerungen an Velvet Underground in ihrer Phase mit Geigenspieler John Cale auf, insbesondere im abschließenden "Otto". In "Red Mustang" und "The Clones" hat Neil Young mit Crazy Horse seine Spuren hinterlassen. "Your Sombrero" und "Club 49" bieten zwischendrin etwas Ruhe.
Fast alle Mitglieder singen, doch schienen sie sich noch nicht ganz sicher ob ihrer vokalen Fähigkeiten zu sein. Dabei würden ausgefeiltere Harmonien wie bei High Llamas durchaus zu ihrer Musik passen. "Snoqualmie", benannt nach einer idyllischen Ortschaft nahe Seattle, in der die Außenaufnahmen von "Twin Peaks" gedreht wurden, der Mutter zeitgenössischer Fernsehserien, lässt also Entwicklungspotential erkennen.
"Kleinstadtidyll mit ein, zwei Leichen im Wohnwagen" beschreibt ihr Label die Stimmung. Ganz so dramatisch ist es nicht, dennoch schimmert unter der meist entspannten musikalischen Fassade immer wieder ein gewisses Grauen durch.
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