laut.de-Kritik
Ohne Fish kein Fleisch.
Review von Giuliano BenassiNicht immer ist der Gefallen am Inhalt ausschlaggebend für den Erwerb einer CD. Manche Menschen kaufen Platten wegen der schönen Tussi auf der Cover. Andere, um ihre Sammlung zu vervollständigen. Die Platzierung in den Charts spielt auch eine Rolle, schließlich ist es vor allem in Schülerkreisen cool, immer das Neueste vorweisen zu können.
Keiner dieser Gründe trifft auf Marillions "Best Of" zu. Frauen? Fehlanzeige. Interessant für den Fan? Kaum, der hat schon alles. Außerdem enthält diese CD in Vergleich zur kürzlich erschienenen und umfangreicheren DVD "The EMI Singles" zusätzlich nur zwei Stücke aus den letzten zwei Studioalben. Cool? Um Gottes Willen! Fish Anno 1983 mit grünem Gesicht auf der zweiten Bookletseite sieht aus, als wolle er sich bei Jackass als Frosch bewerben.
Die Musik, na ja, wie oft haben wir sie schon gehört. Zumindest die aus den Zeiten des ersten Sängers. Bis auf "Kayleigh" hat kaum ein Song den Test der Zeit bestanden, die anderen verschwanden glücklicherweise im Progressive Rock-Papierkorb, bis sie jetzt wieder unerwünscht (und hoffentlich nur für kurze Zeit) auftauchten.
Ist der Titel "Best Of" bis 1987 mit den ersten acht Stücken wenigstens noch halbwegs nachvollziebar, beginnt mit "Hooks In You" die Hogarth-Phase. Wie bekannt ging es ohne den charismatischen Fish bergab. Bezeichnenderweise stammen die ersten sechs Stücke dieser zweiten Zeit aus den Alben "Seasons End" 1989 und "Holidays In Eden" 1991. Anschließend ist von vier Alben jeweils ein Stück vertreten. Das 99er "Marillion.com" ist gar nicht berücksichtigt.
Die Antwort auf den Sinn dieser Veröffentlichung findet sich auf der Homepage der Band. Als ihr um die Jahrtausendwende die Kohle ausging und auch kein Plattendeal in Sicht war, finanzierte sie ihr bislang letztes Studioalbum "Anoraknophobia" durch Vorverkäufe über ihre Webseite. Nun, zwei Jahre später, ist es wieder so weit. Keine Kohle, kein Plattendeal. Der Plan: diese "Best Of", eine Reihe an DVDs (darunter eine Liveaufnahme von 1983 mit? Genau: Fish) und wieder Vorverkauf übers Internet. Weitere Infos auf www.marillion.com, das Einzige, was bei der Combo noch ganz gut zu funktionieren scheint.
Das traurige Fazit lautet: ohne Fish kein Fleisch. Aber die Charakterstimme ist wegen anhaltender Soloerfolgslosigkeit schon längst in der Versenkung verschwunden. Immerhin sahen er und seine Exband eine düstere Zukunft voraus: Ihr letztes gemeinsames Album betitelten sie "Clutching At Straws". Nun, sechzehn Jahre später, scheinen ihnen die Strohhalme auszugehen.
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