laut.de-Kritik
Bravo-Leser sollten lieber zu Marlon als zu Bro'Sis greifen.
Review von Eberhard DoblerPeter Maffay hat seine helle Freude. Hymnischer Deutschrock mit anspruchsvollen Texten: "Warum gibt es Gewalt? Warum gibt es Menschen, die Soldaten sind?", klagt Marlon in seiner Hochwasser-Benefizsingle. Hier stellt jemand die richtigen Fragen, legt den Finger in die Wunde, versteht die alltäglichen Ängste und Nöte der Menschen. Textliche Naivität, die tröstet. Ein lieber Junge. Musikalisch bietet das Debut des 15-Jährigen durchaus eine professionelle Melange aus Pop, Soul und Rock.
Wen wunderts. Schließlich haben Fachleute wie Selig-Gitarrist Christian Neander, Echt-Komponist Michel van Dyke oder Sofaplanet-Produzent Franz Plasa ihre Finger im Spiel. Hookline folgt auf Hookline. Von einer guten Produktion und stilsicheren Arrangements ganz zu schweigen. Auch Marlon scheint alles andere als ein Stümper zu sein. Er spielt Gitarre und Schlagzeug, tanzt und geht mit seinem geschulten Organ um, als singe er die zigste Platte ein. Textlich beschäftigt ihn bevorzugt die Liebe. Und das geht ordentlich in die Hosen.
Während der Herzschmerz im beschwingten "Ich Hab' Dich Zuerst Gesehen" noch Teenie-kompatibel aufbereitet wird, geraten die Relationen bei "Sie Tut Weh" oder der dritten Single "Fragen, Fragen, Fragen" völlig aus den Fugen. Marlon kennt die Liebe und kleidet sie in Worte, als blicke er auf das Leben eines abgeklärten Methusalems zurück, der noch an der schmerzvollen Trennung von seiner vierten Ehefrau knabbert, während er versucht, die Beziehung zu seiner zwölften Freundin zu retten. Derlei soulige Bestandsaufnahmen und emotionale Analysen nimmt man eventuell einem Xavier Naidoo, Maffay oder Combos wie Goldjunge ab, aber keinem Teenager.
Musikalisch hätten es diese sicher nicht viel besser gemacht. Der funkige Titeltrack "Liebes Leben" oder das rockigere, mit Bläsern versetzte "Entscheiden" bilden da keine Ausnahmen. Beim lässigsten Stück der Platte, "Egal Wohin", kommen gar elektronische Elemente zum Einsatz. Obwohl das Label übereifrig auf den weitgehend programmierungsfreien Charakter der Platte hinweist. In der Tat, Popfans sollten lieber zu Marlon als zu Bro'Sis greifen. Auch wenn die Songs für einen Teenager unerträglich erwachsen wirken.
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