laut.de-Biographie
Morgoth
Mit Morgoth verabschiedet sich 1997 eine der besten, interessantesten und innovativsten (ehemaligen) Death Metal-Bands aus Deutschland von der Bildfläche. Der Band um Fronter Marc Grewe war es nicht nur gelungen, sich von Album zu Album stetig zu verändern und zu steigern, sondern auch die ehemals relativ engen Grenzen des Death Metals zu sprengen und zu erweitern.
Kehren wir aber zunächst mal in die 80er zurück und somit zu ein paar Teenagern, die sich in jeder freien Minute Kreator, Death, Dark Angel oder Possessed in die Birne knallen und irgendwann den Entschluss fassen, sich selbst an dieser Musik zu versuchen. Da Meschede nicht gerade der Nabel der Welt ist, hält sich die Ablenkung in Grenzen, und treffen sich Gitarrist Carsten Otterbach und Drummer Rüdiger Hennecke in einem Proberaum, um als Cadaverous Smell jede Menge Lärm zu machen. Struktur schleicht sich erst ein, als Harry Busse den Bassposten übernimmt.
Unter dem Namen Minas Morgul (der Tolkien-Einfluss ist damals schon nicht zu übersehen) proben die Jungs in der Schule und sehen sich nach einem Schreihals um. Da aber keine PA existiert, müssen die Kandidaten gegen Gitarren und Schlagzeug anbrüllen, was in den seltensten Fällen gut ausgeht. So konzentrieren sie sich zunächst darauf, einen zweiten Gitarristen zu finden. Da Harry eh keinen Bock mehr auf den Bass hat, übernimmt er einfach den Job.
Marc Grewe bekommt schließlich den Job als Sänger, als er eine souveräne Vokalperformance in Carstens Wohnung zu Kreators "Flag Of Hate" ablegt. Zu dieser Zeit suchen sie sich einen eigenen Proberaum in einer alten Schlachterei, kaufen sich Equipment und benennen sich in Morgoth um. 1988 ist es soweit, und Marc, der inzwischen auch Bass spielt, und Co. nehmen ihr erstes Demo "Pits Of Utumno" auf.
Die Reaktionen der Fanzines sind gut, und ein Kerl namens Robert Kampf, der gerade das Century Media Label gegründet hat, um seine Band Despair zu vertreiben, meldet sich bei Morgoth. Die haben bis Anfang '89 schon ein paar neue Songs zusammen und nehmen diese in einem anständigen Studio auf. Zusammen mit Robert beschließen sie, die Songs als EP mit dem Namen "Resurrection Absurd" zu veröffentlichen. Die Musik ist aggressiver, die Gitarren tiefer gestimmt, die Vocals derber, Morgoth spielen erstklassigen Death Metal.
Auf einmal wird es ernst, T-Shirts werden gepresst, die EP verkauft sich ausgesprochen gut, und Line-up mit Pestilence und Autopsy steht im Frühjahr 1990 die erste Europatour an. Da auch noch einige Festivalauftritte und ein kurzfristiges Tourangebot mit Obituary und Demolition Hammer hinzukommen, reicht es zeitlich wieder nur für die Aufnahme von fünf Songs. Diese werden aber von Dirk Draeger und Metal Guru Scott Burns in den legendären Morrisound Studios in Tampa, Florida, abgemischt. Hinzu kommt ein geniales Cover, und fertig ist "The Eternal Fall".
Nach einer ausgedehnten Tour, die auch den Osten mit einschließt, hat Marc von der Doppelbelastung die Nase voll, und mit Sebastian Swart kommt ein Basser in die Band. Er soll seinen Einstand eigentlich Ende Dezember auf dem Metal Mania Festival in Polen haben, doch da die Karre verreckt, gibt er sein Debüt auf dem Christmas Festival in Fagersta, Schweden. Dort treten auch Atheist, Entombed und Candlemass auf. Sebastian passt perfekt zum Line-up, und im Februar '91 geht es wieder ins Studio.
Dieses Mal gehen sie in die Century Media Haus- und Hofstudios, die Woodhouse Studios bei Dortmund. Die Arbeiten am ersten Full-Length-Player gestalten sich nicht unkompliziert, da Marc während der Gesangsaufnahmen erkrankt und sich erst mal eine Pulle Whiskey verschreibt. Randy Burns sorgt für einen kernigen Mix: "Cursed" zeigt die Band erneut in Höchstform, wenn auch ein Spur düsterer als auf den Vorgängern. Mille von Kreator bekommt ein Vorabtape von "Cursed" in die Finger und lädt Morgoth spontan ein, seine Band und Biohazard auf US-Tour zu begleiten. Dort werden sie beinahe eingeknastet, weil sie von einem Cop gestoppt werden, der knapp 100 leere Bierdosen in ihrem Van rumfahren sieht, was in den USA strengstens verboten ist. Nachdem aber klar wird, dass die Saufziegen aus Deutschland kommen, drückt er ein Auge zu.
Als Morgoth nach Deutschland zurück kehren, ist "Cursed" schon auf dem Markt und läuft ausgesprochen gut. So geht es gleich wieder mit Massacre und Devastation in den Tourbus, und Ende '91 sind alle ziemlich fertig und ausgebrannt. Somit konzentrieren sich Carsten, Rüdiger und Marc zunächst auf ihr Studium, während Sebastian und Harry ein wenig um den Globus ziehen. Die ersten Drei ziehen nach Dortmund und fangen irgendwann wieder mit dem Proben an. Heraus kommt "Odium", eine Scheibe, die deutlich komplexer ist als das bisherige Werk und auch starke Industrial-Einflüsse aufweist.
Das Album entsteht komplett in den Woodhouse Studios unter der Regie von Siggi Bemm und ist trotz der Abkehr vom reinen Death Metal überaus aggressiv. Den anschließenden Touren fehlt etwas der Spirit, und auch privat gewinnen immer mehr andere Dinge an Einfluss. Carsten startet als Tourmanager durch, Rüdiger bekommt von VIVA das Angebot, eine Metalshow mit dem Namen "Metalla" zu starten, und Marc ist mit seinem Projekt Power Of Expression (mit dem er zwei CDs aufnimmt) und der Arbeit für Century Media beschäftigt.
Somit kommen Morgoth erst wieder 1995 zusammen und sind vom entstandenen Material selbst überrascht. Neben eindeutigen Killing Joke- und Voivod-Einflüssen überraschen Morgoth auf "Feel Sorry For The Fanatic" vor allem mit einem schwer verdaulichen Techno-Track, der zeigt, wie sehr sich die Band aus den engen Grenzen des Death Metals gelöst hat. Das geht auf Kosten von Aggression und Härte, was für viele Fans nicht nachvollziehbar ist. Zwar werden sie damit auch für Medien außerhalb des Metals interessant und gehen sogar mit Die Krupps auf Tour, dann jedoch lösen sie sich nach einem letzten Gig im Locomotive Club in Paris stillschweigend auf.
Marc und Sebastian ziehen kurze Zeit später nach Berlin und starten dort eine Band namens ActionJackson, die anderen Jungs hängen ihre Instrumente an den Nagel. 2005 veröffentlichen Century Media mit "1987-1997 The Best Of Morgoth" eine Doppel-CD mit jeweils drei Songs der bisherigen Veröffentlichungen auf der einen, sowie dem "Pits Of Utumno"-Demo, drei raren Veröffentlichungen und insgesamt sechs Videoclips auf der anderen CD. Das Booklet ist durchaus sehenswert, hat sich doch Sänger Marc tatkräftig daran beteiligt.
2010 kehren Morgoth zur Überraschung vieler aber wieder zurück. Allein Drummer Rüdiger Hennecke hat kein Interesse mehr an der Band und auch Gitarrist Carsten Otterbach ist schnell wieder raus. Während Shouter Marc und Gitarrist Harald ihre alten Positionen einnehmen, hat Sebastian den Bass gegen die Gitarre eingetaucht und überlässt Sotirios 'Soti' Kelekides (Sinew) das Langholz. Hinter den Kesseln sitzt mit Marc Reign der ehemalige Destruction-Drummer.
In dieser Besetzung spielen sie ein paar starke Gigs, u.a. auf dem Rock Hard Festival 2011 und scheinen so langsam aber sicher wieder Gefallen an der Band zu finden. Es folgt die Livescheibe "Cursed To Live" und tatsächlich entstehen die ersten neuen Songs. Allerdings läuft es innerhalb der Band nicht immer reibungslos und kurz, bevor es zu den Aufnahmen eines neuen Albums kommt, fliegt Marc aus der eigenen Band. Schmutzige Wäsche wird daraufhin jedoch erst mal keine gewaschen.
Die restlichen Mitglieder krallen sich Disbelief-Shouter Karsten 'Jagger' Jäger und nehmen mit ihm zusammen "Ungod" auf, das stilistisch genau zwischen "Cursed" und "Odium" passt.
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