laut.de-Kritik
Alter charmanter Mann, langsam reicht es!
Review von Michael SchuhEs liegt in der Natur der Sache, dass Menschen manche Dinge besonders gut können und andere weniger. Morrissey zum Beispiel kann wundervoll singen und herzergreifende Songs schreiben. Was er nicht so gut kann, ist, politisch komplexe Themen wie Migration unmissverständlich zu kommentieren oder Best Of-Alben sinnvoll zusammen zu stellen.
Obendrein ist "Very Best Of" nach "World Of Morrissey" (1995), "Suedehead - The Best Of" (1997) und "Greatest Hits" (2008) bereits die vierte Hitsammlung, ganz abgesehen von zwei CD-Single-Boxsets und sonstigem Re Issue-Kram.
Dass im Prinzip keine einzige davon Sinn macht, war bisher stets die Schuld der Plattenfirmen. Spätestens mit "Greatest Hits", der ersten von Morrissey zertifizierten Best Of, brachte sich die Lästerzunge aber selbst in Misskredit, ging sie doch inhaltlich kaum über das Jahr 2004 in die Vergangenheit zurück.
Es darf weitergelacht werden: Diese hier endet Mitte der 90er Jahre. Zudem triumphiert auch vorliegende Zusammenstellung wieder mit einer abenteuerlichen, bisweilen regelrecht bizarren Songauswahl, die die wahren Meisterleistungen des Künstlers bewusst (?) verdeckt.
Es führt langsam offenbar kein Weg mehr daran vorbei, dem Morrissey-Camp (also Morrissey allein) Absicht zu unterstellen. Scheinbar braucht der fürs Beleidigtsein bezahlte Interpret hinterher auch was zu motzen. Und siehe da: Schon wieder gefällt ihm was nicht.
Zwar hat er sicher Stunden dafür benötigt, um dieses alberne Badewannen-Foto fürs Cover auszuwählen, aber da "HMV die Platte noch nicht einmal im Sortiment hat, sehe ich meiner ersten Veröffentlichung ohne Chartsplatzierung entgegen". Ohhhh! Gerecht wärs!
Ein Best Of-Album, auf dem B-Seiten verwurstet werden ("Girl Least Likely To", "I've Changed My Plea To Guilty", "Moonriver"), bedarf eigentlich keines weiteren Kommentars. Da gerät schon zur Randnotiz, dass schwache "Viva Hate"-Songs wie "Break Up The Family" auftauchen und starke "Vauxhall"-Nummern wie "Hold On To Your Friends" völlig fehlen. Songs ab 2004 sucht man auch vergeblich, aber schon klar, Mozzer, das waren Alben auf Universal, da kannst du natürlich nix dafür. Gähn. Wie wärs dann mit ganz bleiben lassen?
Auf den ersten Blick mag die Bonus-DVD das Paket rausreißen, aber auch dort finden sich nur bekannte Videos, die man teilweise schon von der "Hulmerist"-DVD kennt. Und falls nicht, ist es auch nicht tragisch, denn Regisseur Tom Broad steht für die schlimmste 80er-Trash-Ästhetik samt Nullinger-Plots im gesamten Morrissey-Kanon ("Everyday Is Like Sunday", "Interesting Drug", "Suedehead"). Einzig die offenkundige Homoerotik in "November Spawned A Monster" bleibt halbwegs erinnerungswürdig.
Einen Livegig von "I've Changed My Plea To Guilty" aus der Jonathan Ross-Show 1990 als rare Archiv-Dreingabe zu verkaufen, zeugt im YouTube-Zeitalter auch nicht gerade von profunderem Wissen um Konsumentenbedürfnisse. Morrissey ist daher gut beraten, wenn er sich wieder um seine Kernkompetenz kümmert: das Songwriting. Momentan hat er übrigens kein Label.
4 Kommentare
Das musste mal gesagt werden.
und ich hab mich grad erst gefragt warum die scheibe überhaupt ne review bekommt... danke dafür, passt !
Sehr vernünftige Rezension.
Lorbeeren welken...
Die ersten beiden Mozza-Best-ofs habe ich mir damals noch gekauft. Damit war's dann aber auch gut.