laut.de-Kritik
Gehasst und vergöttert.
Review von Matthias Bossaller"Another Perfect Day" ist eines der abwechslungsreichsten und anfänglich auch umstrittensten Alben in der langen Motörhead-Historie. Fiel das sechste Studioalbum vor 40 Jahren bei vielen Fans aufgrund stilistischer Veränderungen auf wenig Gegenliebe, gewann es im Nachgang stetig an Bedeutung und Zuneigung. Grund genug, um auch diesem Werk wie zuvor "Overkill", "Bomber" oder "Ace of Spades" mit einer schicken Jubiläums-Edition zu huldigen.
"Another Perfect Day" stellt für Motörhead gleich in mehrerer Hinsicht ein Zäsur dar. Wegen stetig zunehmender Spannungen innerhalb der Band quittiert Fast Eddie Clarke kurzerhand seinen Dienst. Lemmy und Philthy Taylor stehen über Nacht ohne Gitarrist da, das klassische, von den Fans geliebte Motörhead-Trio ist Geschichte. Auf der Suche nach Ersatz schlägt der große Thin Lizzy-Fan Taylor deren früheren Gitarristen Brian Robertson vor. Lemmy stimmt trotz eines unguten Bauchgefühls zu. Robertson bringt mit seinem technisch versierten Gitarrenspiel frischen Wind in den Motörhead-Sound. "Another Perfect Day" klingt so melodisch wie keines der Vorgänger-Alben.
Aber auch optisch bringt "Robbo" eine neue Note in die Band – nicht zum Gefallen seines Bandbosses und der Fans. Der neue Gitarrist betritt mit Ballettschuhen und Satin-Short die Bühne: Ein Affront für die größtenteils aus Kuttenträgern und Bikern bestehende Anhängerschaft. Der Legende nach kann Lemmy seine Kumpels von den Hells Angels gerade noch davon abhalten, "Robbo" nach einem Konzert im Londoner Hackney Speedway Stadium zu lynchen. Der eigensinnige Robertson weigert sich obendrein, Motörhead-Klassiker wie "Ace of Spades" oder "Overkill" zu spielen. Kein Wunder, dass die Liaison nur über eine Albumlänge hält.
Das am 4. Juni 1983 veröffentlichte "Another Perfect Day" lässt die frühere Wildheit ein Stück weit hinter sich, überzeugt aber durch geschmackvolle Gitarrenarbeit, ungezügelte Power und einer superben Produktion von Tony Platt. Die bluesigen Riffs von Perfektionist Robertson, der sich im Gegensatz zu Studiomuffel Lemmy bei den Aufnahmen viel Zeit lässt, passen gut zu Songs wie dem Opener "Back At The Funny Farm", "Shine", "Dancing On Your Grave", "Another Perfect Day" oder "I Got Mine".
Trotz der melodiöseren und groovigeren Ausrichtung sind die alten Trademarks des Motörsounds nach wie vor vorhanden. Schnell nach vorne rockt die Band mit "Tales Of Glory" und "Die You Bastard". Es fehlen zwar die ganz großen Hits, als Gesamtwerk klingt die Scheibe aber wie aus einem Guss und hat im Vergleich zum Vorgänger "Iron Fist" die Nase vorn.
Die remasterte Deluxe-Edition hält zum 40. Geburtstag einige Bonus-Tracks parat: Es gibt zwei Live-Tracks "(I'm Your) Hoochie Coochie Man" sowie "(Don't Need) Religion", dazu Demoversionen von "Shine" (alias "Climber" samt einer Instrumental-Version davon), "One Track Mind" ("Chinese") sowie "Die You Bastard" ("Fast One"), die Lemmy und Co. damals mit anderen Titeln, Arrangements und teilweise unterschiedlichen Texten eingespielt hatten. Besonders gut gefällt die Single-B-Seite zu "I Got Mine": "Turn You Round Again". Hinzu kommt ein zuvor nicht veröffentlichter Live-Auftritt des Konzerts vom 22. Juni 1983 in der Hull City Hall. Die 16 Songs stammen größtenteils vom "Another Perfect Day"-Album und von "Iron Fist". Klar, Robertson hatte keinen Bock auf Hits.
Das macht den Mitschnitt aber umso interessanter: Live-Aufnahmen mit den üblichen Songs gibt es von Motörhead schließlich zur Genüge. Der Sound ist druckvoll und erdig. Die turbulente Zeit rund um die Aufnahmen zu "Another Perfect Day" wird durch unveröffentlichte Interviews, nie gesehene Fotos und andere Erinnerungsstücke in dem Booklet lebendig. Die Deluxe-Variante gibt es als gebundene Buchpakete in den Formaten Doppel-CD und Dreifach-LP. Auch als normale LP-Version in farbigem Vinyl ist die Neuauflage von "Another Perfect Day" erhältlich.
1 Kommentar mit 4 Antworten
Das Übergangsalbum zur Zwei-Gitarristen-Phase bei M. Und der Bazillus der Mittelmäßigkeit finden seinen Weg in die Kühlröhren des Motorkopfes. 3/5.
Auf diesem Album ist überhaupt nichts „mittelmäßig“. Mittelmäßig an Motörhead sind nur die Rock‘n‘Roll Standards, die sich als Lückenfüller auf diversen Alben finden.
5/5
Ganz bei gizmaniac.
Another Perfect Day ist, nicht zuletzt wegen Brian Robertson, eine glatte 5/5.
Stimme ich zu, der harte schnelle Boogie, den sie gerne aml füllend anbieten, ist meist sehr durchschnittlich vom Song. Der erste Füller ist Rock it. One Track Mind ist danach nicht so recht einladend es öfter zu hören.-im Grunde ein zu Beginn starkes Album, mit eher durchschnittlichem Titelstück. Und welches am Ende verplätschert und zusehends Mängel in der Produktion offenbart- zB der Schlagzeugsound, die nach hinten gemischte Gitarre,..
besser als Bomber ist es in jedem Fall