laut.de-Kritik

Die Helden des Dominantsept-Akkords massieren Gehirnsynapsen.

Review von

Gebt mir ein neues Paar Ohren!
Gebt mir ein neues Hirn!
Gebt mir eine neue Definition von Musik, damit ich dies hier wirklich begreife!

Leichtfüßige Dreiklangfolgen auf dem Klavier. Helle, glockenartige Tastenklänge haken sich unter, der Bass setzt fast kontrapunktisch ein - die Instrumente erzeugen schnelle, geradezu hektische Bewegung. Kontrastierend dazu der Gesang, der über allem fließend mal seufzend mal engelsgleich die aufwühlenden Wogen zu zähmen versucht.

Gleich zu Anfang bei "New Born" eine Stimmung wohliger Unheimlichkeit wie kurz vor einem sinnflutartigen Gewitter: Erregende Spannung kurz vor dem unvermeidlichen, sehnsüchtig erwarteten Knall. Und der Knall kommt. Im Grunde knallt es die ganze Zeit, vor allem im Kopf, wo sich die Synapsen beim Hören neu verbinden.

Muse sind zurück mit "Origin of Symmetry", dem zweiten Werk der (immer noch) blutjungen Engländer, den Helden des fermatierten Dominantseptakkords: unverkennbar Muse, aber virtuoser, leidenschaftlicher, schneller, härter, wahnwitziger und noch bezaubernder als zuvor.

Virtuos, weil nicht nur die Piano-Intros mitunter die Atmosphäre eines Sinfonie-Orchester-Saals erzeugen, groß, bombastisch, aufbrausend und ehrwürdig. Aber von wegen Sinfonie-Orchester: Bass, Drums, Gitarre, Piano, Synthie und dieses theatralisch-leidenschaftlich seufzende Instument namens "Matts Stimme" harmonieren minutiös miteinander, wetteifern untereinander, vereinigen sich. Dieses Mit- und Gegeneinander bewirkt nicht zuletzt, dass in jedem der Stücke an allen Ecken erstaunliche Überraschungen warten: Klassische Gitarre meets Stimmverzerrer, Kuhglocke meets Snareguitar, Bass meets Fingerfertigkeits-Etüde.

Schneller, weil das Tempo dir den Atem raubt, und zwar nicht nur das metronomische Tempo, sondern auch die Harmonien, die in unerbittlicher Häufigkeit die Farbe wechseln, rotzende Gitarrenriffs, die abrupt träumerischen Melodien weichen und der Synthie, der so schnell wieder verschwunden ist, wie er kurz und frech irgendwo dazwischen plappert.

Und einfach grandios, weil die drei Jungs von Muse in der Lage sind, all diese Gegensätzlichkeiten miteinander verschmelzen zu lassen, weil in jedem Song so viel Ideen, Material und Liebe zum Detail stecken, dass andere Bands daraus min-des-tens drei Hits basteln würden - ganz einfach.

Genug der Superlative: Kauft euch ein neues Paar Ohren, kauft euch ein neues Hirn, kauft diese Platte, hört, vielleicht begreift ihr dann, was ich meine.

Trackliste

  1. 1. New Born
  2. 2. Bliss
  3. 3. Space Dementia
  4. 4. Hyper Music
  5. 5. Plug In Baby
  6. 6. Citizen Erazed
  7. 7. Micro Cuts
  8. 8. Screenager
  9. 9. Darkshines
  10. 10. Feeling Good
  11. 11. Megalomania

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