laut.de-Kritik
Ganz tief drin in der Hypemaschinerie.
Review von Mara WeckerDie neue Lady Gaga soll sie sein, ihre Songs schreibt sie selbst, Will.I.Am hat sie entdeckt und produziert. Natalia Kills steckt schon vor der Veröffentlichung ihres Debüts ganz tief drin in der Hypemaschinerie.
Entsprechend eindrucksvoll die Optik von "Perfectionist": Rot, Schwarz, Natalia in Lack und Leder, zerrissene Strumpfhosen, pseudogefährliche Psycho-Posen. Das alles soll wohl zu ihrer Musik passen, die Natalia im laut.de-Interview selbst als "aggressiv, provokativ und definitiv düster" beschreibt. Fever Ray, Depeche Mode und Kate Bush zählt sie zu ihren großen Vorbildern. Dem Album hört man diese Einflüsse leider nur sehr bedingt an.
"Wonderland" macht gleich zu Beginn deutlich, wie der Hase läuft: clubtaugliche Elektrobeats, dramatische Choreffekte, ein bisschen Autotune, fertig ist die neue Gaga, äh ... Brit... äh ... Rihanna! Das ist wenig einzigartig, doch funktioniert nach wie vor: Schon nach dem ersten Hören hat sich ein verdammter Ohrwurm in meinem Kopf festgesetzt.
Nach dem inhaltlich in den Tiefen einer Kesha angesiedelten "Free" ("My wallet's anorexic / Can I pay my rent the next month" - ungezügeltes Shopping als Sinnbild für die Freiheit) bringt "Break You Hard" immerhin fette Bässe und ein paar Gitarrenriffs ins Spiel. Natalia zeigt sich wieder aggressiv, zerschmettert Fensterscheiben ("Boom boom smash / Boom boom crash") und droht ihrem Ex-Freund ("I'm about to break you / Lipstick, lies, tears, tragedy").
Die erste Singleauskopplung "Mirrors" geht (wie einige andere Nummern) auf die Kappe von Gaga-Produzent Martin "Cherry Cherry Boom Boom" Kierszenbaum und Musiker Akon, die sich großzügig an Eurythmics' "Sweet Dreams" bedienen. "Turning the lights out / Tighten the handcuffs / And the mirrors gonna fog tonight": Die Sex Sells-Masche bescherte Kills damit schon eine Platzierung in den Top 10 der deutschen Charts.
Oft möchte man am liebsten ein paar Tonspuren abdrehen, um irgendwie Raum für Natalias Stimme zu schaffen. Selbst die dünn gesäten Balladen ("Heaven" / "Broke") dröhnen so kalt und metallisch aus den Boxen, dass man Natalia einfach keines der besungenen Gefühle abkaufen kann - wenn auch die Sängerin immer wieder betont, wie persönlich ihre Songs doch seien.
Obwohl von Natalias Stimme auch in "Zombie" vor lauter Effekten kaum noch etwas zu hören ist, sticht die elektronisch-monotone Nummer aus dem Einheitsbrei hervor und zeigt, dass sich Natalia stilistisch doch ein wenig von ihren berühmten Kolleginnen abheben kann, wenn sie denn will.
Offen bleibt trotzdem die Frage, ob das für einen länger währenden Erfolg ausreicht. Natalia Kills mag zwar ihre Songs selbst schreiben, eine nette Stimme besitzen und obendrein ordentlich Sexappeal und Extravaganz. Für die Coolness einer Lady Gaga fehlt ihr dabei aber vor allem die Selbstironie.
7 Kommentare
Mappus hatte das auch nicht vor. Westerwelle auch nicht. Und Merkel auch nicht.
Wenn ich so das Cover sehe, frage ich mich mittlerweile wirklich, obs überhaupt noch ne neue junge Sängerin gibt, die ohne halbnacktes Rumhüpfen auskommt. Was ist das denn bloß für ein Trend?
@Liam Lennon: Taylor Swift
nee, leider irgendwie nicht.
Doch, Kate Bush hört man zum Beispiel in der Kopie des Chorus von Wuthering Heights ("Free")
Bin endlich dazu gekommen es zu hören und ich finds recht ordentlich!
Die erste Hälfte sind sehr geile Songs, die zweite Hälfte ist etwas durchwachsen.
Zombie, Acid Annie und Break You Hard sind wirklich Ausnahmetitel die ich momentan nirendwo anderst so gehört hab.