laut.de-Kritik
Rotzige Riffs und wummernde Bässe - ein Stern am Musikhimmel
Review von Gurly SchmidtGenau 29 Jahre braucht der Saturn für eine Umrundung. Und 29 Jahre braucht der Mensch, um zu wissen, wo er im Leben hingehört. Genau so lange also bis der Saturn sich wieder an der Sternstelle befindet, an der er gerade rumschwebte, als dieser Mensch geboren wurde.
Dies zumindest ist die offizielle Erklärung zum neuen No Doubt Album "The Return of Saturn". 29 Jahre - also eine Saturnumlaufzeit - war Gwen Stefani alt, als die Songs zu dem Album enstanden. Das heisst: 29 erlebnisreiche Lebensjahre inklusive eines Mega-Erfolgs, 1996, mit ihrem vorherigen aber insgesamt schon dritten Album "Tragic Kindom". Und das bedeutet erstens das Ganze verarbeiten zu müssen und zweitens Erfolgsdruck pur.
Die vorab ausgekoppelte Single "Ex-Girlfriend" schallt uns schon seit März aus den diversen Sendern entgegen: Klassisches Gitarrengezupfe zu Beginn des Songs täuscht den erwartungsvollen Hörer aber nur kurz, denn dann kommt der erwartete Grunge-Rock, der No Doubt auszeichnet. Die kratzige gepresste Frauenstimme singt nicht nur, sie redet auch zeitweise. Der Song drängt nach vorne als ob er gleich den Zug verpassen würde - unterbrochen von kleinen aber notwendigen Verschnaufpausen zwischen den Refrainteilen. Wow.
Genug der Raserei - der zweite Song "Simple kind of love" fängt gleich melodiös und gitarrenlastig an zu plätschern und die Geigenklänge machen die Träumerei perfekt. Nächster Track, und die Träumerei wechselt über Verwunderung in Begeisterung: "Bathwater". Eine mehr als gelungene Melange aus Blaskapellensound, Rumba-Rhythmen und Kabaretteinflüssen. Und wieder ein Song der einen willenlos mitreisst. Der wahrhaft gelungene Ausflug ins Gitarren- und Kabarettwunderland, ist aber nicht von Dauer, denn Track Nummer vier "Six Feet Under" klingt schon eher wieder nach No Doubt - rotzige Riffs und wummernde Bässe.
Ob nun Rock oder Tanz - No Doubt bewegen sich zielsicher und federleicht, jeder Song lässt neue Nuancen entdecken und die ganze Scheibe kann sich wahrlich hören lassen.
Bis auf einen der Songs auf "The Return of Saturn" hat Glen Ballard (Alanis Morisette, Aerosmith) produziert und es scheint, als hätte er wirklich die Gabe gehabt, das Lebensfindungschaos und die Ideen der 29 und mehr vergangenen Jahre aller Beteiligten in hochkreative, melodiöse kraft- und sinnvolle Bahnen zu lenken. "New" wurde als einziger der Songs von Ex-Talking Heads Gitarrist Jerry Harrison (u.a. Crashtest Dummies und Live) produziert - deutlich hörbar, wie könnte es anders sein, am durchgängigen Hi-Hat Tztz... - ein Merkmal, für Harrison so wichtig wie für Hunde das Markieren.
Insgesamt kann man also durchaus in Versuchung geraten, dieser astrologisch-esoterischen Saturngeschichte Glauben zu schenken: "The Return of Saturn" ist eine reife und runde Leistung, die zweifellos als weiterer Stern in die Musikgeschichte eingehen wird.
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