laut.de-Kritik

"May I have your attention please?" Nein.

Review von

31 Jahre ist es her, dass OMD eine der größten Bands ihrer Zeit waren: Songs wie "Souvenir" und "Maid Of Orleans (The Waltz Joan Of Arc)" brachten den schwülstigen Stil der Synthie-Popper aus Liverpool so nachhaltig und perfekt auf den Punkt, dass ihnen bald darauf nichts Neues mehr einfiel und sie noch vor Ende der Dekade auseinander brachen.

Infolge des neu geweckten Interesses junger Bewunderer wie La Roux und The Killers an alten 80er-Elektro-Helden überraschte ihr 2010er Comeback "History Of Modern" höchstens aufgrund des arg späten Zeitpunkts. "English Electric" ist nun ein weiteres neues Studioalbum in Originalbesetzung, das sich erneut ausschließlich an Nostalgiker richtet.

Einerseits ist das schade, weil Andy McCluskey und Paul Humphreys in aktuellen Interviews nicht den Eindruck müder Reunion-Abräumer erwecken, die am zarten Aufbrechen ihres Stil kein Interesse hätten. Offensichtlich können sie es einfach nicht. Aber wer als Albumtitel schon den Namen einer antiquierten Diesel-Lokomotive wählt, ist auf museale Sounds wahrscheinlich programmiert.

Das allein wäre ja auch noch kein Qualitätsmerkmal, klug eingesetzte Minimal-Sounds sind jederzeit willkommen, aber wenn man der neuen OMD-Platte eine Weile zuhört, fühlt man sich nicht nur (zu Recht) wie ein alter Sack, sondern wie ein reaktionärer alter Sack.

Die Keyboard-Leadmelodie von "Stay With Me" kopiert schamlos "Souvenir", während "Helen Of Troy" und "Kissing The Machine" gleich an mehrere Songs gleichzeitig erinnern. Für letzteren Track holte sich McCluskey seinen alten Elektric Music-Kollegen Karl Bartos ins Boot, der offensichtlich für die peinlichen deutschen Lyrics im Mittelteil zuständig war, die vor kurzem schon sein fragwürdiges "Off The Record"-Projekt prägten.

Um ihren Idolen Kraftwerk zu huldigen, benötigen OMD ohnehin kein Ex-Mitglied, das gelingt ihnen alleine besser, wie die siebenminütige Single "Metroland" belegt. Auch "Night Café" belegt das Gespür des Songwriting-Paars Humphreys/McCluskey für melancholische, unabgegriffene Pop-Melodien. Zwischendurch präsentieren sie stolz Vocoderspielereien ("The Future Will Be Silent"), die auf Strophe-/Refrain-Schemata verzichten oder sie integrieren Anrufbeantworter-Gimmicks, die im Smartphone-Zeitalter jetzt auch nicht mehr ganz taufrisch rüberkommen.

Man hätte es schon 2010 kommen sehen müssen, als mit Mike Crossey nicht einmal ein Produzent von außen irgendwas am Trademark-Sound der Gruppe ändern konnte. "May I have your attention please?" heißt es im Intro. Apropos, wann kommt eigentlich die neue Eminem?

Trackliste

  1. 1. Please Remain Seated
  2. 2. Metroland
  3. 3. Night Café
  4. 4. The Future Will Be Silent
  5. 5. Helen of Troy
  6. 6. Our System
  7. 7. Kissing The Machine
  8. 8. Decimal
  9. 9. Stay With Me
  10. 10. Dresden
  11. 11. Atomic Ranch
  12. 12. Final Song

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