laut.de-Kritik

Make R'n'B cool again!

Review von

R'n'B, und das wird dieser Tage ersichtlicher denn je, ist aus seiner kulturellen Versenkung, oder viel eher: seinen musikalischen Irrwegen, auferstanden. Und auch wenn es wohl Frank Ocean war, der die Nische zwischen Hip Hop und Pop wieder salonfähig gemacht hat, erntet der Hörer nun die Früchte dieser Vorarbeit – vornehmlich aus kanadischen Gefilden. Denn neben Aushängeschild The Weeknd beherbergt Amerikas nördlicher Riese eine ganze Riege aufstrebender Sänger.

Eines haben die meisten unter ihnen dabei gemein: ihren Sound, der sich fast schon als Antithese gegenüber den Feel-Good-Vibes aus den USA definiert. Einer, der wie kaum ein zweiter dunkle und sphärische Atmosphären mit graziler Intimität füllt, ist PARTYNEXTDOOR. Und bisher deutet alles darauf hin, dass 2016 sein großes Jahr wird. Der jüngste Beweis für die gar nicht so steile These ist "P3", ein unerhört kohärentes Stück Musik, das sich konsequent so ziemlich allem verweigert, was sich außerhalb des OVO-Kosmos bewegt.

Der Zeitpunkt dafür könnte kaum besser gewählt sein: nach etlichen Drake-Kollaborationen und entscheidender Mitwirkung an Rihannas "Work" knüpft bereits "Come And See Me", Vorab-Single und Versprechen gleichermaßen, stimmungsvoll an bisherige Stärken an. Late Night-Vibes und ausgesprochen versexte Lyrik, wie sie in deutscher Sprache wahrscheinlich niemals funktionieren würde, machen die meisten Tracks aus, die oft nahtlos ineinander verschwimmen.

"Not Nice", der wahrscheinlich beste Song der Platte, macht sich etwa die bereits von Drake auf "Views" verwendeten Karibik-Einflüsse zu eigen. Einziger Unterschied: PND verwertet die dancehallige Instrumentierung noch deutlich unverkrampfter und singsangt sich durch Beziehungsstress und die ach so kaltherzige Frauenwelt: "Girl you're not nice, you're rude/ want me to feel like I'm new/ want me to watch you do you/ don't, girl, you look so nice/ but you're not nice, you're rude/ look what you're putting me through/ I'd never do this to you".

Zugegeben: was hier auf textlicher Ebene passiert, hat auf den ersten Blick einiges mit Radio-Kitsch-R'n'B gemein. Der Kern jedoch ist ein anderer, nämlich, wie PND subtile Gefühle einfängt und unheimlich atmosphärisch wiedergibt. Allein "Only U" setzt Maßstäbe in puncto Stimmvarianz und tänzelt währenddessen spielend zwischen Weltschmerz-Ballade und fast schon tanzbaren Versatzstücken. "Problems & Selfless" erdrückt den Hörer fast schon ob seiner monströs entschleunigten Bassline, über die – und an diesem Punkt ist der Vergleich durchaus angebracht – PND ähnlich verträumt wie The Weeknd croont.

Im direkten Vergleich mit letzterem fehlen PARTYNEXTDOOR zwar noch die ganz großen Melodien und auch ein Stück Eigenständigkeit. Trotzdem: durch unverkennbar großes Stimmpotenzial und eine ebenso feine Beatauswahl schafft es PND locker in die Top-Liga der Rhythm and Blues Künstler. Und somit auch aus dem Schatten von Ziehvater Drake. R'n'B ist wieder cool. Endlich!

Trackliste

  1. 1. High Hopes
  2. 2. Don’t Run
  3. 3. Nobody
  4. 4. Not Nice
  5. 5. Only U
  6. 6. Don’t Know How
  7. 7. Problems & Selfless
  8. 8. Temptations
  9. 9. Spiteful
  10. 10. Joy
  11. 11. You’ve Been Missed
  12. 12. Transparency
  13. 13. Brown Skin
  14. 14. 1942
  15. 15. Come and See Me (f. Drake)
  16. 16. Nothing Easy to Please

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