laut.de-Kritik

Die DIY-Punk-Blaupause für kommende Generationen.

Review von

Da ist es, das verflixte siebte Album der Herren aus Gimbweiler, und um es direkt vorwegzunehmen: Es ist zweifelsfrei ein Meilenstein in der Diskografie der Band. Bereits der finstere Gesichtsausdruck des jungen Mädchens auf dem Cover lässt erahnen, dass man sich nicht zusammengefunden hat, um von der Sonnenseite des Lebens zu künden.

Beinahe auf den Tag genau vier Jahre sind vergangen, seit Pascow mit "Jade" wieder frischen Wind in die zum Rosten neigende Punkszene brachten und ein reifes und auf den Punkt gegartes Stück Musik auf die Welt losließen. Vier Jahre, in denen die Welt mitnichten besser geworden ist und uns zudem noch eine lähmende Pandemie heimgesucht hat. "Sieben" kanalisiert nun allen Frust, die Wut und Ungerechtigkeit über die aufkeimenden Missstände in der Gesellschaft.

Der Opener "Himmelhunde" startet noch beschwingt dynamisch mit Bassriff und mehrstimmigen, psychedelisch anmutenden Gitarren, man spürt förmlich den Ansatz zum Sprung. Es folgen kleine Hymnen voller Emotionen, stets zwischen Verzweiflung und Hoffnung. Sofort besticht die druckvolle und glasklare Produktion. Die Gitarren, die oft herrlich dissonant durch die Peripherie sägen, klingen zu keiner Zeit verwaschen, alles ist dort, wo es hingehört.

Inhaltlich wird sofort klar, dass absolut gar nichts in Ordnung ist, und obwohl Pascow das ordentlich und natürlich zurecht anprangern, bleibt das Gefühl allgegenwärtig, dass wir die Kurve irgendwie bekommen oder zumindest lernen, mit allem umzugehen. Wenn alles im Eimer ist, dreh' dich um und lauf' los! "So scheiße einfach kann das sein."

"Königreiche Im Winter", bei dem Apokalypse Vega von Acht Eimer Hühnerherzen die zweite Stimme beisteuert und dabei ganz hervorragend mit Sänger Alex harmoniert, beschäftigt sich mit dem Aufwachsen in schwierigen Verhältnissen. Wenige, kaum verschlüsselte Worte treffen zielsicher. Nicht nur in betroffene Herzen.

Was früher "Abend In Der Stadt" war, ist heute "Monde": Ein moderner Protestsong über Wohnungsnot und Hausbesetzer*innen zeigt der voranschreitenden Gentrifizierung den ausgestreckten Mittelfinger. "Wo gestern Nacht ein Junkie stand, ist heut' 'ne Juicy Bar", und wieder treffen die Worte mitten ins Schwarze. Unfassbare Gesangsmelodien, die man kaum wieder abgeschüttelt bekommt, umrandet von perfekten Riffs. So und nicht anders geht Punk heute.

"Gottes Werk Und Teufels Beitrag" sowie "Grüßt Eve" nehmen, jeder auf seine Art, die Gesellschaft ins Visier, Nazis und Zukunftsangst, alles keine neuen Themen im Genre, aber die Kunst besteht eben darin, ohne Plattitüden und unnötigen Pathos auszukommen. Mission accomplished, mit Bravour! Im wütenden Offbeat-Takt erinnert anschließend "Die Unsichtbaren" daran, dass auch in Sachen Flüchtlingspolitik nicht alles in Butter ist und nach wie vor Krieg herrscht.

Als vorläufiger Überhit des Albums entpuppt sich zweifelsfrei "Mailand", das zum ersten Mal ein wenig anders klingt. Das liegt vor allem daran, dass Pascow sich hier Streicher zu Hilfe holen. Kaum ist der erste Moment der Überraschung abgeklungen, bleibt einem kaum etwas anders übrig, als sich von den großartigen, tief dramatischen Melodien tragen zu lassen. Nicht zum ersten Mal fühlt man sich ein wenig an die wahnwitzige Riffakrobatik von Billy Talent erinnert, an handwerklichem Anspruch fehlt es nämlich auch nicht.

Nach dem furchtbar angepissten, leicht schrägen "Ich Bin Klar", das die Parole "Aufstehen, weitermachen" erneut bedient, widmen wir uns einem ganz anderen Thema. Bei aller Bedrückung kommt auch auf "Sieben" nämlich eines nicht zu kurz: die Liebe. Allerdings nicht deren glückliche Seiten, sondern eher der desolate Zustand, in dem man sich gerne befindet, wenn man dahingehend zu kurz kommt. "Daniel & Hermes" wirkt nicht wirklich fröhlich, zitiert aber etwas verschmitzt den viel zu früh verstorbenen Daniel Johnston mit einem seiner schönsten Stücke "True Love Will Find You In The End".

Bei "Tom Blankenship" identifizieren sich Pascow letztlich mit dem gesellschaftlichen Aussteiger, der sie hier in The Clash Riffs eingebettet besingen. Wie immer strotzt alles nur so vor Harmonien, aber nach wie vor ohne dabei gefällig oder gar kitschig zu wirken. Nach dem einleitenden Instrumental "Zugausweichen" bleiben wir zumindest thematisch in der gleichen Kategorie.

"Von Unten Nichts Neues" könnte eine Hymne für jene sein, die den Anschluss verpasst haben und vor den Scherben ihrer zerbrochenen Träume stehen. "Wir werden nicht Fame, nicht Held, nicht Star. Der pinkne Porsche wird nie wahr."

Das arschcoole "Vierzehn Colakracher", der Rausschmeißer nach gut 36 Minuten Kurzweil, liefert eines der schönsten Beispiele für einen zeitgenössichen Punksong. Ein leicht dreckiger Gruß an die Elite, zu der wir nicht gehören wollen.

"Sieben" ist ein kein Album für eine Nacht. Es ist bitter, unbequem und stellenweise ganz schön hässlich. Aber zu keiner Sekunde langweilig, peinlich oder pathetisch, und wie viele große Werke wächst es mit jedem Durchlauf weiter.

Trackliste

  1. 1. Himmelhunde
  2. 2. Königreiche Im Winter
  3. 3. Monde
  4. 4. Gottes Werk Und Teufels Beitrag
  5. 5. Grüßt Eve
  6. 6. Die Unsichtbaren
  7. 7. Boris Blocksberg
  8. 8. Mailand
  9. 9. Ich Bin Klar
  10. 10. Daniel & Hermes
  11. 11. Tom Blankenship
  12. 12. Zugausweichen
  13. 13. Von Unten Nichts Neues
  14. 14. Vierzehn Colakracher

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