laut.de-Kritik

Kein Artrocker sollte diese Platte von der Bettkante stoßen.

Review von

Bereits seit einem Jahr schüren Periphery mittlerweile die Erwartungshaltung im Proglager. Vom Opeth/Steven Wilson-Freund über die Fanschar von Devin Townsend bis hin zu den Djent-Jüngern warten alle gespannt auf den lang ersehnten "Juggernaut"-Zyklus. Letzterer kommt als fetter Doppelschlag. Die ambitionierte Konzept-Saga gibt es als separate Platten "Alpha" und "Omega", die inhaltlich aber unbedingt zusammen gehören.

Nach ihrer letzten melodischen Glanztat "Periphery II" steht ihnen das recht offensiv zur Schau gestellte Selbstbewusstsein gut zu Gesicht. Die Truppe um Misha Mansoor setzt alles auf diese eine kreative Karte und ihr "Juggernaut" gewinnt auf ganzer Linie. 17 Tracks lang gibt es hochmodernen Progmetal, dessen ästhetische Strukturen auch kein altgedienter Artrocker (im besonderen enttäuschte Yes-Fans) von der Bettkante stoßen sollte. Die Platte ist eine Wucht!

Trotz komplexer Storyline und detailgenau geschilderter Charaktere gleitet man überraschend leicht in diesen Koloss von einer Scheibe. Schon nach wenigen Minuten wird klar: Der "Juggernaut" ist das Meisterstück von Shouter Spencer Sotelo. Vollkommen mühelos changiert der Sänger zwischen nuanciertem Conferencier und gelegentlich aufbegehrend growlendem Raubtier.

Oft erscheint er als stimmlicher Architekt anmutiger Melodien, dann wieder als zerberstender Dekonstrukteur. Dabei verfügt sein sehr hoch gesungener Vortrag nicht nur über die typische Messerschärfe derartiger Stimmlagen. Im Gegenteil: Trotz seines exaltierten Progstils transportiert Sotelo eine seltene Wärme im Grundton, die sich perfekt mit jeder instrumentalen Stimmung vereint.

Der Clou bei Periphery im Allgemeinen und "Juggernaut" im Besonderen sind einmal mehr die einander blind ergänzenden drei Gitarren. Egal ob als sphärischer Klangmantel oder Stakkato getriebene Abrissbirne: Die nimmer enden wollende Flut von Figuren und Farbschattierungen unter der Knute von Drums und Bass ist herausragend. Je besser man die Platte kennen lernt, desto mehr erschließt sich dem Hörer, dass kein einziger Break, kein einziges Solo beliebig ist. Jede einzelne Note setzen sie songdienlich und dramaturgisch zutiefst ausgeklügelt ein. Der im Genre so oft zum Gähnen reizende Bauchladeneffekt aus der Frickelbude bleibt konsequent ausgesperrt.

Ein paar Momente dieser von Mansoor optimal gebastelten Produktion eignen sich als Anspieltipp besonders. Das atmosphärische "Black Minute" wirft ein süchtig machendes Kernthema aufs Büffet, das - unter anderem in "Reprise" - als roter Faden immer wieder fragmentarisch auftaucht. Das Juwel "Heavy Heart" gleitet etwas später durch einen konstanten Kampf aggressiver Schübe mit einem wundervoll arrangierten Ohrwurm.

Spätestens beim Schaulaufen von "The Event" bis einschließlich "The Scourge" wird einem richtig warm ums progressive Artrockherz. Mit psychedelischem Gespür bauen sie eine Spannung auf, die sich in "The Scourge" eruptiv entlädt und urplötzlich wieder verraucht. Im Schlusstrack "Stranger Things" bündeln sie dann noch einmal alle Stärken von zart bis hart und lassen das Publikum danach sehr allein und komplett angefixt zurück. Was für ein Sturm!

Trackliste

Alpha

  1. 1. A Black Minute
  2. 2. MK Ultra
  3. 3. Heavy Heart
  4. 4. The Event
  5. 5. The Scourge
  6. 6. Alpha
  7. 7. 22 Faces
  8. 8. Rainbow Gravity
  9. 9. Four Lights

Omega

  1. 1. Psychosphere
  2. 2. Reprise
  3. 3. The Bad Thing
  4. 4. Priestess
  5. 5. Graveless
  6. 6. Hell Below
  7. 7. Omega
  8. 8. Stranger Things

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8 Kommentare mit 12 Antworten

  • Vor 9 Jahren

    Ich habe mich extra für diese Rezension angemeldet und kann mich nur wundern: Wer Periphery hört, muss doch Spencers Stimmlage kennen. Die kann man zwar sehr oberflächlich als "Emoscheiße" abstempeln, ist aber extrem klar, wechselhaft und passend. Die Alben sind sensationell konstruiert, passen harmonisch ineinander und haben imo sogar fünf Sterne verdient.

    • Vor 9 Jahren

      na herzlich willkommen. schön, dass du da bist. :) ...aber eigentlich sind wir uns dann doch einig. genau das stehrt auch in der rezi....bis auf die 5 punkte. ps: ich vermute, die verbreitete ablehnug des sängers rührt daher, dass er dieselbe stimmlage wie kaulitz hat. so könnte der th typ klingen, hätte er an seiner stimme gearbeitet. dennoch können viele nicht auf die gedehnten vokale als stilmittel. es vermittelt nicht wenigen den eindruck des quengelns oder nölens. ändert natürlich nix an der erbrachten leistung sotelos.

    • Vor 9 Jahren

      Danke! :)

      War schon lange stiller Mitleser, musste hier aber nochmal was sagen. Ebenso muss ich jetzt auch was zur Stimmlage nochmal sagen: der Kaulitzvergleich hinkt aus meiner Sicht schon, weil der aus meiner Sicht schon relativ deutliche Defizite hat und nie auch nur ansatzweise in Spencer Sotelos Region ranreichen kann.

      Sotelo hat meiner Meinung nach eine unfassbare "vocal range", kann schnell und gut zwischen hartem Shouting und Singen umschalten und glänzt für mich vor allem durch sein präzises Glissando. Es ist nur schade, dass in einer Rezension eines Prog-Metal-Albums man die Stimmlage verteidigen muss, bei Circus Maximus/Dream Theater und ähnlichen Bands beschwert sich ja auch niemand.

    • Vor 9 Jahren

      Eigentlich sind sich hier alle einig, dass Die Stimme des alten ranzigen Brie ziemlich scheiße und der größte Schwachpunkt von Dream Theater ist.

    • Vor 9 Jahren

      Jop. Unterschrieben, Morph!

    • Vor 9 Jahren

      Lüge! Über das Eunuchengeheule à LaBrie hab ich mich oft genug ausgelassen, wie auch allgemein über die Seelenlosigkeit dieser Truppe.

    • Vor 9 Jahren

      Coole Leute hier! :D Habe mich auch nicht so sehr mit Dream Theater auseinander gesetzt, weil ich die Briestimme ziemlich schlimm finde (wobei sein Soloprojekt dank Peter Wildoer und Marco Sfogli schon wieder ziemlich gut ist).

    • Vor 9 Jahren

      woah, hab auf der hauptseite zunächst "lautuserin" aus dem augenwinkel gelesen...jetzt bin ich fast enttäuscht :D

  • Vor 9 Jahren

    klingt auf jeden Fall reinhörenswert. :)

  • Vor 6 Jahren

    periphery passen für mich mittlerweile perfekt in die sparte "metal-band, die ich oberflächlich irgendwie immer hören kann, es sei denn, mir ist nach deepem zeug" bzw. nach musik, die mich absolut fesselt und emotional mitreißt (weswegen ich musik eigentlich höre..). "periphery II" hatte letztgenannten effekt auf mich gelegentlich, aber seit "juggernaut" sind periphery für mich, im positiven sinn, seichte unterhaltung. auf der habenseite stehen deshalb ihre hymnenhaftigkeit und ihr mut zur emotion, wenn auch 'dezent' übersteigert, und einige melodien zum niederknien.. hab zudem echt echt respekt vor dem virtuosen wechsel von gesang und shouting, aber mein puls geht genau dann in die höhe, wenn periphery zu einem polyrhythischen gitarrengewitter ansetzen, was sie halt einfach zu wenig tun..