laut.de-Kritik
Alles drin: perfekter Popsong, mittelmäßige Ballade oder der letzte Schmuh.
Review von Sven KabelitzDie beiden edlen englischen Herren aus der Zoohandlung, die es als einzige Band geschafft haben, gepflegte Langweile als Stilelement in ihre Songs einfließen zu lassen, haben nun auch schon beide die fünfzig überschritten. Da wird es Zeit, beim Teetrinken genüsslich den Finger von der Tasse zu spreizen und noch mal zurück zu schauen.
Bereits vor 17 Jahren brachten sie mit "Alternative" eine Sammlung ihrer B-Seiten raus, die es bis dahin zum Teil nicht auf CD gab. Mit "Format" führen sie diese Idee nun fort. Die hier zusammengestellten Songs umfassen die Phasen "Bilingual" bis "Yes". Dem Doppelalbum ist noch ein Interview mit dem britischen Pop-Musikjournalisten und Publizisten Jon Savage beigelegt.
Nach wie vor geben sich die Pet Shop Boys sehr viel Mühe mit ihren 'Lückenfüllern', experimentieren und toben sich abseits der Augen der Öffentlichkeit und der Musikindustrie aus. Sie entsprechen der heute so allgegenwärtigen 'Enge Freunde'-Einstellung bei Facebook. Nur die Treusten unter den Fans bekommen diese Ergüsse auch zu hören.
Den hohen Standard, den die Boys während ihrer Anfangsjahre selbst gesetzt haben, können sie dabei aber nicht ganz halten. Das liegt mitunter auch daran, dass mit "Bilingual" und "Nightlife" die wohl schwächste Zeit der beiden Briten in die Compilation einfließt. Wenn die Alben schon eher nur so mittel ausfallen, wie sollen die B-Seiten dann viel aufregender sein? Hier sind sie es jedenfalls nicht. Trotz allem finden sich auf "Format" Perlen, für die der gemeine Pop-Künstler seine Seele an den Teufel verkaufen würde.
"Format" gleicht der guten alten Überraschungstüte. Wenn man blind einen Track wählt, weiß man nicht, was zum Vorschein kommt. Es kann ein perfekter Popsong, eine mittelmäßige Ballade oder der letzte Schmuh sein. Wobei die Chance auf einen Glücksgriff auf CD2 mit den ab "Release" wiedererstarkten Pet Shop Boys deutlich steigt.
Spätestens ab "We're The Pet Shop Boys" gelingt die Wendung weg von arg mediokren und stellenweise belanglosen Balladen hin zum besonderen Lied. Das Cover des My Robot Friend-Elektropop-Stücks, das meisterlich mit den Titeln aus den frühen Jahren der Band spielt, ist Tennant und Lowe auf den Leib geschneidert.
Auch die "Release"-Phase mit Gastgitarrist Johnny Marr wirft einige gute Nebenprodukte ab. Inspiriert von einem frühen The Strokes-Konzert schrieben die beiden Engländer mit "I Didn't Get Where I Am Today" einen kraftstrotzenden Poptitel, dem "The Resurrectionist" und das sommerliche "Between Two Islands" mit seinem unwiderstehlichem Marvin Gaye-Zitat, kaum nachstehen.
Recht amüsant kann man die verschiedenen Musikeinflüsse der letzten fünfzehn Jahre nachvollziehen. Mit "The Truck-Driver And His Mate" wird versucht, die damals allgegenwärtigen dicken Eier von Oasis zu imitieren, was naturgemäß in die Hose geht. Eine viel gelungenere Referenz an die Britpop-Ära stellt das ruhigere "Hit And Miss" dar. Schon wenig später spielt "Betrayed" mit Drum'n'Bass, "The Ghost Of Myself" zitiert sogar Britneys "... Baby One More Time".
Diesen gelungenen Momenten steht zum Teil recht obskurer Ramsch gegenüber. Der Instrumentalremix von "In The Night (1995)" klingt 2012 katastrophal gestrig, "Disco Potential" wie ein schlechtes Cover des grottigen U2-Songs "Discothèque". Völlig deplatziert im Elektrokosmos der Pet Shop Boys wirkt Elton John bei "In Private", einst für die göttliche Dusty Springfield geschrieben. Da kann der englische Mops mit der Kunsthaarmütze einfach nicht gegen anstinken.
Am Ende bleibt als Fazit, dass es auf "Format" für den geneigten Halbzeit-Fan, der noch nicht alle Maxi-CDs und Downloads sein Eigen nennt, viel zu entdecken gibt. Jeder andere PSB-Freund kann sich aber noch ein wenig entspannt zurücklehnen und auf das neue Album freuen, das noch dieses Jahr erscheinen soll.
5 Kommentare
Auf einer englischen Seite konnte man lesen das wenn vielen A Seiten die Qualitaet der Pet Shop Boyschen B Seiten anhaften würde dies die Musiklandschaft deutlich verbessern würde. Und es stimmt wieviele Künstler können sich schon ein Album nur mit B Seiten und Bonus Tracks erlauben ohne dabei erröten zu müssen aufgrund der mangelhaften Qualität. Die Boys arbeiten eben gerne an Musik und überlassen deshalb auch die B Seiten nicht dem Zufall.
Trotzdem warten echte Fans doch lieber auf das neue Album statt zu Format zu greifen.
Auf einer englischen Seite konnte man lesen das wenn vielen A Seiten die Qualitaet der Pet Shop Boyschen B Seiten anhaften würde dies die Musiklandschaft deutlich verbessern würde. Und es stimmt wieviele Künstler können sich schon ein Album nur mit B Seiten und Bonus Tracks erlauben ohne dabei erröten zu müssen aufgrund der mangelhaften Qualität. Die Boys arbeiten eben gerne an Musik und überlassen deshalb auch die B Seiten nicht dem Zufall.
Trotzdem warten echte Fans doch lieber auf das neue Album statt zu Format zu greifen.
"Wenn die Alben schon eher nur so mittel ausfallen, wie sollen die B-Seiten dann viel aufregender sein?"
was für ein unsinniger unsinn. allgemein und besonders in bezug auf psb.
GERADE die pet shop boys beweisen immer wieder, daß sie TROTZ so mancher beschissener single ("before", "home and dry", "i'm with stupid", "did you see me coming") geniale b-sides "abliefern".
äh - nein. GERADE "release" war für vieeele psb fans damals eine absolute enttäuschung. nix mit wiedererstarkten pet shop boys, sondern die schwächsten seit langer zeit. im jahre 2002 plötzlich auf brit-pop der 90er zu machen; und dann noch nicht mal konsequent, sondern eben wieder halb elektronisch produziert, war ganz schöner käse. bei release fällt mir nur sehr positiv "here" auf, der rest ist ganz schöner murks, hat zumindest mit pet shop boys wenig zu tun.
bis auf "sexy northerner" und "always" sind die b-seiten der release-ära auch nich gerade pralle. und der song "nightlife" ist einer der schlimmsten, den die jungs je verbrochen haben. absoluter tuntiger-beegees-70er-disco-für-arme-quark. da höre ich mir lieber das geräusch eines zersplitetten atoms an..
dann doch lieber die etwas "düstere" nightlife und die pseudolatino-bilingual. auf diesen war wenigstens jeweils eine hälfte der cd gut. UND vor allem, nightlife sowie bilingual hatten mit die besten psb b-sides überhaupt. z.b. "delusions of grandeur" ist einer der besten psb-songs überhaupt. WENN etwas pet shop boyish ist, dann genau dieser song.
"we're the pet shop boys" ist eher - lahm. ein song mit diesem titel hätte so viel mehr potential.. aber danach geht's dann wieder richtig aufwärts. fast alles gut bis sehr gut außer - das überpeinliche "in private". da muß ich dem autor recht geben. an diesem song ist einfach alles zu schämen: der englische mops, die billige produktion und übermäßig herausbrüllende homoerotik. aber die restlichen songs sind dann wirklich wieder gut.
*klugscheiss* das gar nich ma so schlechte "disco potential" hätte schlecht ein cover von U2s "discothèque" sein können, da es bereits ein paar jahre eher rauskam.
ergo: für fans die bis dato eh alle singles hatten ist "format" quasi überflüsig, da leider kein einziger neuer song drauf ist, wie auf dem sogenannten "ultimate"(!). auch gibt es diesmal keine promo-single, wie beim damaligen, sehr guten "alternative" (unbedingt reinhören, ihr nicht-fans), welche paninaro 95 hieß.
für alle anderen auf jeden fall kaufenswert. cd1 gut bis sehr gut. cd2 erste hälfte baah, zweite hälfte sehr gut. hätte also mindestens 4 sterne verdient, die gute "format". "beside" als titelname wäre besser. ach ne, gab's ja schon
gruß!
ernstmosch
doch nich kluggeschissen: disco potential kam ein paar monate später raus. aber war zu diesem zeitpunkt bestimmt schon geschrieben, mutmaße ich jetzt mal einfach.
gruß!
ernstmosch
PS: schade, daß die textabsätze nach dem abschicken nicht übernommen werden. so sieht der ganze wulst doch arg unübersichtlich aus. haut dem webdesigner-assistenten-assistenten mal gehörig ins kreuz und ändert das mal, ihr laut-leute.