laut.de-Kritik
Klassenfeinde zerlegen mit kalten Wobbelbässen.
Review von Anastasia HartleibGut zehn Jahre nach der Battlerap-Contest-Blase sind die meisten von Pilz' männlichen Kollegen wieder in der Versenkung verschwunden. Die Lübeckerin allerdings bestand, erarbeitete sich am Rande der Aufmerksamkeitsmaschine gemächlich einen festen Platz in Deutschrapland. Immer auf Angriff, oft feministisch und definitiv links bestreitet Pilz ihren Weg - und den setzt sie mit ihrem aktuellen Album "Strassenköter" fort.
Mit Cover und Titel des Albums gibt Pilz zum einen eine kleine Hommage an ihren eigenen Hund, der in den vergangenen Pandemie-Jahren ihr Leben dominierte. Doch "Strassenköter" ist alles andere als nur ein Album für das Haustier.
Pilz' zweiter Langspieler bewegt sich zwischen linker Gesellschaftskritik und klassischer Deutschrap-Abarbeitung. Musikalisch liefert "Strassenköter" plastischen, technoiden Sound, der von Drum'n'Bass-Wänden bis kalten, synth-gesteuerten Boombap-Adaptionen und waschechten Club-Bangern so einiges zu bieten hat. Wer nicht nach warmen Wohlfühldrums, sondern wahnwitziger Trommelfellzerfetzung durch Wummskavallerien und Wobbelbässe sucht, ist hier genau richtig.
Inhaltlich ist "Strassenköter" ein eher zweischneidiges Schwert. Zum einen liefert Pilz genau das, was man von ihr erwarten würde - linksbegründete Gesellschafts- und Kapitalismuskritik, in Deutschland oft dikreditierend "Zeckenrap" genannt. Zum anderen macht der Fokus auf Nestlé- und Staatszersetzungsfantasien "Strassenköter" eben auch vorhersehbar.
Natürlich hat linker Rap seine Berechtigung, denn die Themenkomplexe aasgeiernde Großkonzerne, Polizeigewalt und Staatsversagen liefern quasi Futter wie am Fließband. Pilz zerlegt die Klassenfeinde auch versiert, wie in "Verbrannte Erde", wo sie zu Heavy Metal auf Henry Nestlés Grab tanzt und rappt "Junge ich bin durchs Raster gefall'n, aber Vater Staat kalkuliert das ja mit ein". Oder in "Show", das mit Präzision ins gut genährte Fleisch der Wohlstandsgesellschaft sticht: "Mit Geld das wir nicht haben kaufen wir Dinge die wir nicht brauchen / und vor Produktionsbedingungen verschließen wir die Augen / die mehrheitlich weiße Mittelstandsschicht solidarisiert sich immer noch nicht mit Menschen, denen es schlechter geht als ihnen."
Dennoch vermisst man ein wenig Originalität. So berechtigt Kritik an Bänkern, profitgeilen Influencenden und einer zumindest im Mainstream viel zu homogenen Rap-Landschaft ist, so altbekannt ist sie auch. Pilz liefert hier keine wirklich neue Perspektive, einfach, weil sich alle und deren Onkel, Mütter und entfernten Cousins und Cousinen daran in irgendeiner Form schon mal versucht haben.
Dabei müsste das nicht so sein. Pilz zeigt in "Komm Mit" zumindest ganz kurz, dass sie eine für viele Hörerinnen und Hörer leider immer noch unbekannte Perspektive eröffnen könnte: Eine weibliche Stimme der Systemkritik. Und damit sind nicht die zur Genüge erwähnten, abgedroschenen Phrasen gemeint, sondern tatsächliche Auszüge aus ihrem individuellen Blickwinkel. Wie lebt es sich als junge Frau zwischen Systemabhängigkeit, Kampfhundglorifizierung und beständiger Geldnot? Wie nimmt eine Frau mit Sinn für Reflektion das Leben im an den Rand gedrückten Teil der Bevölkerung wahr?
Ein derart distinktiver Point of View hätte "Strassenköter" zu einer der interessantesten Platten des Jahres machen und ihrem Standing als wichtiger Teil der Deutschrap-Szene noch mehr Gewicht verliehen. Doch Pilz geht auf Nummer sicher - und macht stattdessen ein durchaus solides, aber eben nicht herausragendes Album. Mit etwas Glück schleift Pilz an ihrer Unbequemlichkeit noch ein paar Ecken und Kanten heraus und kann dann mit Fug und Recht behaupten: "Wer sagt wir sind gewaltbereit / Ich werfe nur den Meilenstein - wähl 161!"
3 Kommentare mit 22 Antworten
Ist irgendwie wie die Schlachtrufe BRD Sampler früher als Rap. Man kann die Attitüde nicht komplett unsympathisch finden. Handwerklich geht es aber deutlich besser und man ist gleichzeitig peinlich berührt, weil man keine 15 mehr ist und nicht mehr besoffen Anarchie schreit...
Ja, der Vergleich trifft es ziemlich gut. Und wo wir gerade dabei sind: Die Schlachtrufe-Reihe geht übrigens wieder an den start
https://www.awayfromlife.com/schlachtrufe-…
Dadpunks incoming and looking forward to finally overcome office weeks in 3..2..1..
Dazu immer wieder sehenswert: https://www.youtube.com/watch?v=OQAgflt6tKk
Andromeda dankt.
Hast (beginnend mit der HC-Doku neulich) jetzt echt in beachtlich kurzer Zeit paar wirkliche Herzensangelegenheiten in meinem Leben kulturell zu umschmeicheln gewusst. Top!
My pleasure!
Feindkontakt Records hat letztes Jahr bereits Schlachtrufe BRD X rausgebracht. mit selbststeller, elbroiber, MPU und Punkfront. Und natürlich gangbang angela und die giant black cokcs ♥ ♥
Wenn man den Bühnennamen aus der Diagnose des Gynäkologen übernimmt...
...heißt man in deinem Fall Hydrocephalus
Hahahahahahaha, alter, geil! Den Joke hab ich ja echt noch nie gehört! Hammer.
Wäre diovysos nicht so ein zurück gebliebener EURalt-Clown hätte ich als einer der momentan aussichtsreichsten zu verpflichtenden Mitproduzenten des "Doc Souli & The Gromkys"-Debüts an der Stelle nen Double Feature-Part auf nem Stück der Platte zusammen mit unserem foreneigenen Wikipedia-Fleißbieber MC Cerumen angeboten, aber so..?
Nö. Muss MC Cerumen halt 32 bars pumpen.
*EURalt RIGHT-Clown, still so wrong. Fuckin' prick, sollte klar sein.
Dieser Kommentar wurde vor 2 Jahren durch den Autor entfernt.
"Hydrocephalus & MC Cerumen"-Kollabo-DS&TG-Disspladde über ein anderes Indie-Label direkt im Anschluss? Niemand?
Eigentlich hätten wir wohl schon vor 25 Jahren konsequent damit aufhören sollen, immer wieder nur die substanz- wie selber einfallslosesten polemischen Flussvergifter des Planeten mit diesem aufgesetzt-gelangweilten Unterton der Iro(h)nie zu derart dämlichen Ideen zu inspirieren.
Wären die Märkte doch gerade nur so berechenbar wie die Schneeflöckchen…
Für manche hier ganz sicher, aber für dich sind sie es wohl eher nicht, wie mensch liest.
Diese Substitution von „man“ durch „mensch“ kann man doch unmöglich ernst meinen.
Klär das doch bidde mal eben mit deiner eigenen Spezies. Ich sprech hier schließlich auch lediglich für mich selbst, hm? Danke.
"Wären die Märkte doch gerade nur so berechenbar wie die Schneeflöckchen…"
Wenn sogar du schon vorhersagen kannst, dass du hier für gebitete und lahme Sexistensprüche verbal auf die Fresse bekommst, dann sind wir auf nem guten Weg. Die Vorhersage der "Märkte", auf denen du "agierst", solltest du besser sein lassen, bei der Tafel gibt es halt, was es gerade gibt.
diovysos hat bestimmt gestern noch seine ganze Kapitalreserve (16,46€) genutzt um fleißig den DAX zu shorten und so richtig abzukassieren.
Die Idee einen Aktienindex zu shorten, spricht schon für das prekäre Milieu hier, dass sich nach 29 Semestern Gender Hokuspokus auf Kosten des Steuerzahlers als Sprachpolizei aufspielt.
Nach einem Komma schreibt man "das" nicht zwingend mit zwei "s", sagt der Sprachpolizist.
Rechtschreib-Nazi!
Wer es schafft 29 Semester auf Staatskosten zu studieren, hat meinen Respekt. Nichtdestotrotz spricht es Bände, dass manche denken, mensch müsse "Gender Hokuspokus [sic]" studieren, um nicht aus dem Vorhandensein eines (Mikro-)penisses heraus eine gesellschaftliche Sonderstellung einzufordern (schneeflockenmäßig).
ist halt bereits 2k13 von scotch und milo one kaputt DPdt worden