laut.de-Kritik
Feuerbad aus Gitarre, Bass und Schlagzeug.
Review von Mathias MöllerLos geht es mit einer angerissenen Gitarrensaite. Oder Basssaite. Bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Oder hat da doch nur jemand gegen ein Blech getreten? Treibende Drums jagen Schrammelgitarren. Pissed Jeans lassen über ihren Opener verlauten: Wir nehmen keine Gefangenen. Wir kennen keine Verwandten. Wir sind Godzilla. Du Japan. Allen, die nicht bei drei auf den Oropax-Bäumen sind, werden die Ohren abgesägt.
Der unbedingte Wille zur atonalen Schönheit von Sonic Youth, die zerstörerische Wucht von Shellac und die Intensität vom Mclusky hört man bei Pissed Jeans. Sie stoßen aufeinander und kreieren einen infernalischen Sound, ein Feuerbad aus Gitarre, Bass und Schlagzeug, in dem der Hörer verglüht oder aus dem er gereinigt emporsteigt. Die schweren Gitarren von "Secret Admirer" pressen Dich zu Boden und Sänger Matt Korvette springt auf Deiner Brust herum. Spuckt Verachtung in Dein Gesicht. "A Bad Wind" bläst aus seiner Lunge und zerrupft Dir übellaunig Deine Frisur.
"Scrapbooking" birgt in der Ruhe nach dem Sturm die Gelegenheit, sich mal umzusehen. Liegt überhaupt noch ein Stein auf dem anderen? Korvette schaut derweil alte Fotos an, ein subtiler Selbsthass klingt in jeder Zeile mit. Er zischt und bellt und quält sich von Satz zu Satz. Schmerz prägt "Hope For Men" so sehr, dass man kaum glaubt, dass es das überhaupt noch gibt, Hoffnung für die Menschheit.
Unterschwellige Verachtung für die eigenen, allzu menschlichen Schwächen (in diesem Fall so etwas Banales wie die Schwäche für Süßigkeiten), klingt auch in "I've Still Got You (Ice Cream)" an. "'Cause sometimes life is less than a dream". Und dann sind sie wieder da, diese repetitiv-hypnotischen, tonnenschweren Gitarren, die stark verzerrt auf den Ohren des Hörers lasten, während Korvette, dieser vom Wahnsinn getriebene Sänger, von der Flucht in seine Fantasiewelt jault.
"I'm getting so sick and frustrated" windet er sich, und erzählt von mehr oder minder absurden Fetischen ("Caught Licking Leather"). Abgründe tun sich auf, wo man hinschaut. Auch der neuzeitliche Yuppie, der einen Ford Explorer fährt, Sojamilch trinkt und seinen ganz persönlichen retirement plan hat, ist ein solcher Auswurf der modernen Welt. Das unheilvolle wabernde "The Jogger" lässt ahnen, was Pissed Jeans ihm wünschen.
Abschließend prügeln sie dem Hörer, so er noch bei der Sache ist, mit "My Bed" einen siebeneinhalbminütigen Zornfetzen um die Birne, intensiver gehts kaum. Am Ende weiß man, wie Schweiß, Spucke, Rotz und vollgepisste Denims sich anhören. Dieses Album ist ein Vorschlaghammer von einem Rockalbum. Wer dem die Stirn bieten will, nur zu!
5 Kommentare
Was für einen genialen Namen die Band doch hat...
anhören. sind der hammer.
rock'n rooooooooooooooooll
erinnern mich ein wenig an die rock'n roll soldiers, gefällt mir
Entschuldigt, aber es gibt ein neues Shellac-Album.
Anders als man denkt - ich bin mir noch nicht sicher obs überhaupt Musik ist. Oder nur Verachtung gegenüber Instrumentenbauern und der Lautsprecherindustrie?
Hat auch Ähnlichkeit mit dem Geräusch, dass ein voller Werkzeugkasten macht wenn er zu Boden fällt. Oder auch eine wütende Horde hyperaktiver Vorschüler auf Ritalinentzug. Wie gesagt etwas anders!