laut.de-Kritik

Solides Songwriting zu klischeehaften Texten.

Review von

Project Pitchfork um Vordenker Peter Spilles lassen sich zur Silberhochzeit nicht lumpen und kündigt für Studioalbum Nummer 17 - "Look Up, I'm Down There" - bahnbrechende Neuerungen in ihrem Darkelektro-Kosmos an. Die Platte sei "in vielerlei Hinsicht eine Zäsur, der Anbeginn von etwas Neuem, entstanden aus dem Fundament einer beispiellosen Karriere und schreibt die Geschichte ein weiteres Mal um. (...) Ein Album, so einzigartig in seiner klanglichen Fülle." Das klingt wahrlich monumental.

So gewohnt vollmundig PP hier auf die Erwartungspauke schlagen, so sehr entpuppt sich die Ankündigung als lediglich marktschreierischer Elektrosmog. Anders oder weiter entwickelt ist hier nichts. Es gibt nicht die kleinste stilistische, textliche oder kompositorische Änderung zur gewohnten Fahrspur. Diese Erkenntnis sollte dennoch keinen Fan entmutigen. Das Schwarzwasser, das sie hier auf die Szenemühlen gießen, wird der gängigen Dunkelheimerklientel sicherlich gefallen.

Denn Spilles und seine beiden Mitstreiter verstehen ihr Handwerk. Das Songwriting kann man immerhin als solide bezeichnen. Dabei kredenzen sie ein paar schnucklige Ausreißer nach oben wie das liebliche "Into Orbit". Das kleine Juwel lebt von seiner Dreifaltigkeit aus inspiriertem Piano-Thema, angemessen kontrastierender Elektro-Rhythmik und Spilles darüber gegossener Gesangsmelodie. Ähnlich gut gelingt ihnen der feurige "Volcano".

Im Verlauf sammeln sie clever Freunde eingängigen EBMs, Futurepops und Dark Waves ein und versetzen das Ganze hier und dort mit dezenten Rock-Einschüben. Trotzdem täuscht die schicke Verpackung nicht darüber hinweg, dass längst nicht jeder Track ein songwriterischer Bringer ist. Nummern wie "Sunset Devastation" oder das Titelstück profitieren zwar von ihrer Ästhetik und dem (melo)dramaturgischen Inszenierungstalent der Forkies. Sie kommen über das Prädikat "Szene-Dutzendware" jedoch nicht hinaus.

Und bei Spilles Texten muss man - wie so oft - leider auf Durchzug stellen. Er mag noch so esoterisch gebildet sein - die Kluft zwischen Eigenwahrnehmung als großer philosophischer Poet und der mit Klischees gespickten Wirklichkeit ist so breit wie der Grand Canyon. Stereotypes Gothen-Blabla wie "I have to walk alone from now on until I die./ I feel loss and nothing else./ Help me to survive" und ähnliche Gebrauchslyrik gehen höchstens bei einer Handvoll nachtschattiger Teeniegoths als große Kunst durch. Je weniger man auf die Worte achtet, desto mehr gewinnt die Scheibe.

Trackliste

  1. 1. Into Orbit
  2. 2. Titânes
  3. 3. Propaganda Child
  4. 4. Blind Eye
  5. 5. Pandora
  6. 6. Look Up, I'm Down There
  7. 7. Volcano
  8. 8. Sunset Devastation
  9. 9. Open With Caution
  10. 10. Furious Numbers
  11. 11. Exile
  12. 12. Sky Eye

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1 Kommentar

  • Vor 6 Jahren

    Falls es dem Autor dieses Reviews entgangen sein sollte, seid 2009 und der "Dream Tiresias!" produziert und schreibt Peter Spilles die Alben von PP komplett im alleingang, in seinem eigenen Homestudio. Für mich persönlich war "Look Up, I'm Down There" nicht nur mein Album des Jahres 2016, sondern das beste Pitchfork Album ever. Gerade das Titelstück, über das der Autor sich so abwertend äussert, hat mich derartig tief emotional berührt, wie kein anderer Song zuvor. Was der Autor hier als klischeehaftes, stereotypisches Gothen-Blabla bezeichnet (wie erneut dreist, besserwisserisch und ignorant!) war für Peter Spilles persönlich ganz sicher mit die schwierigste und schmerzhafteste Erfahrung überhaupt, den er verarbeitet hier den Tod seiner Mutter!