laut.de-Kritik

Der Cure-Keyboarder mit melancholischen und tröstenden Momenten.

Review von

Roger O'Donnell zeichnet sein einzigartiger waviger Keyboard-Sound auf The Cures "Disintegration" aus. Der Kajal-Truppe um Robert Smith hält er die Treue. Was viele jedoch nicht wissen: Daneben hat er seit den Neunzigerjahren eine Solokarriere am Laufen. Seine langjährige Erfahrung als Komponist klassischer Musik gipfelt nun in "2 Ravens".

Ursprünglich wollte er die Platte nur mit Celli und anderen Streichern umsetzen. Sie nahm im Winter 2016 auf dem Lande erste Gestalt an, als er sich von den Tourneen mit The Cure erholte. Nachdem er die Dichterin und Sängerin Jennifer Pague kennenlernte, schickte ihr mehrere Hörproben zu, um Input zu bekommen. Als er eines seiner Stücke mit 90 Sekunden langen Vocals von ihr zurückbekam, war er so begeistert gewesen, dass er die gemeinsame Zusammenarbeit vertiefte. Auch einige befreundete Musiker wie Miriam Wakeling, Aled Jones, Nadine Sagan und Daniel Degada konnte er für das Werk gewinnen. Am Ende landeten vier Tracks mit stimmlicher Begleitung auf dem Album.

Die Platte fängt jedoch mit "December" zunächst rein instrumental an. So schwirren die Streicher zu perlender Piano-Begleitung O'Donnells melancholisch durch das Stück. Dabei setzt er immer wieder schroffe kammermusikalische Konstraste, um wenig später wieder zum Ausgangsmotiv zurückzukehren. Dadurch zeichnen er und seine Mitmusiker ein eindringliches klangliches Bild von kargen Winterlandschaften.

Das folgende "An Old Train" gestaltet sich von der Piano- und Streicher-Führung zwar ebenso versunken, aber wenn mit der warmen Stimme Pagues etwas Helles ins Spiel kommt, lässt sich auch O'Donnell hier und da zu dezenten optimistischen Farbtupfern hinreißen. Das Titelstück klingt dann mit wogenden Streicher-Teppichen und zurückgenommener Piano-Begleitung wieder etwas düsterer, schwingt sich jedoch auch zu leicht festlichen Momenten auf. Dabei belässt es der gebürtige Londoner erneut bei wenigen klaren Motiven, so dass es immer eingängig und nachvollziehbar bleibt.

Gerade diese Eingängigkeit sorgt dafür, dass sich die Platte nicht wie im stillen Kämmerlein komponiert anhört, sondern etwas Vitales und Lebendiges ausstrahlt. In "The Haunt" ergänzen sich Piano und Gesang auf eine sehr anmutige und tänzerische Art und Weise. Danach steht in "On The Wing" wieder einmal das Getragene im Vordergrund, jedoch erhellen zuversichtlich klingende Streicher- und die verspielte Piano-Führung zärtliche Sonnenstrahlen die Suite.

In "The Hearts Fall" breitet sich dann wieder einmal eine gewisse Wehmut aus, wenn einsame Cello- und elegische Streichquartett-Töne ihre traurige Klage in den Himmel schicken, während sich O'Donnell von seiner virtuosen Seite zeigt. Am Ende vernimmt man die Hauptmelodie zu zaghaften Klavier-Schlägen um einiges gediegener und tragender, so dass ihre verlorene Schönheit noch mehr zur Geltung kommt.

Als Kontrast gibt es dann zum Abschluss gleich zwei Stücke mit Gesang. "I'll Say Goodnight" erweist sich als das bessere. Ausgehend von andächtigen und kümmerlichen stimmlichen Passagen à la Soap&Skin strebt die Nummer nach und nach einem erlösenden Ende entgegen, das verzückender kaum sein könnte.

Aber gerade dieses Wechselspiel aus Tristesse und Anmut macht das Album zu einem Kleinod. Dabei eignet es sich hervorragend zum Nachdenken und Runterkommen, wirkt aber nie zu bekümmernd. Schließlich wartet nach jedem Anflug von Melancholie ein tröstender Lichtblick.

Trackliste

  1. 1. December
  2. 2. An Old Train
  3. 3. 2 Ravens
  4. 4. The Haunt
  5. 5. On The Wing
  6. 6. The Hearts Fall
  7. 7. Don't Tell Me…
  8. 8. I'll Say Goodnight

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LAUT.DE-PORTRÄT Roger O'Donnell

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