laut.de-Kritik
"Diesen Song haben Sie vielleicht schon mal gehört."
Review von Dani FrommMan kommt schwer umhin, Roland Kaisers Nehmerqualitäten zu bewundern. Jahrelang chronisch lungenkrank, musste er sich vor zwei Jahren einer Lungentransplantation unterziehen. Statt sich davon zu erholen, sich zu schonen und sich des zurück gewonnenen Lebens zu freuen, steht er bald schon wieder auf der Bühne, befindet sich seit einigen Tagen sogar erneut auf Tournee. Nicht schlecht, Herr Kaiser.
Auch der Schachzug, passend zur Tour schon eine Live-Platte parat zu halten, dürfte sich als so ungeschickt nicht herausstellen. Die Massen, die ungebrochen zu Roland Kaiser-Konzerten strömen, können sich so gleich, nicht erst Monate nach der Show, ein Andenken mitnehmen. Dass der Mitschnitt natürlich nicht von der aktuellen Konzertreise stammen kann, sondern bei der "Kaiser Mania" 2011 in Dresden aufgezeichnet wurde, dürfte dem beinharten Fan dabei gediegen am Allerwertesten vorbei gehen - und auf eine andere Klientel zielt "Live" ohnehin nicht ab.
Der Sinn von Live-Aufnahmen hat sich mir noch nie so wirklich erschlossen. Die schöne Tradition, dass Musiker ihre Songs in Studios einspielen, entwickelte sich schließlich nicht ohne Grund. In den allermeisten Fällen klingen Live-Aufnahmen einfach scheiße, bestenfalls mittelprächtig. Roland Kaisers "Live" kämpft - zumindest zu Beginn - ebenfalls mit diesem Problem. Deutlich breiiger als die Studioaufnahmen tönt es - naturgemäß. Die Backgroundsänger versumpfen stellenweise fast komplett.
Immerhin: Im Austausch dafür teilt sich die Begeisterung eines vom ersten Moment an artig mitklatschenden, textsicheren Publikums mit. Roland Kaiser klingt nicht perfekt. Die Freude an seiner Arbeit tönt aber immer noch durch. Kleine Unzulänglichkeiten, ein kurzatmiger Moment hier, ein hörbares Schmunzeln da, lassen ihn im Grunde eher nahbarer, menschlicher erscheinen, als dass sie das Gesamtbild trübten.
Man kann es Roland Kaiser nicht hoch genug anrechnen, dass er den unsäglichen Schwenk vieler (noch) amtierender Schlager-Kollegen hin zum dämlichen Bumms-Beat-Einerlei nicht mitgemacht hat. Er setzt schon seit Jahren eher auf vorsichtig angerockten Mainstream-Pop. Geradezu klassisch fällt sie aus, die Besetzung der Roland Kaiser Band: Schlagzeug, Gitarre, Bass, Keyboards, allesamt solide bedient. Revolutionen lassen sich damit keine lostreten, doch um sich daran weh zu tun, müsste man sich schon redlich Mühe geben.
Den fast schon trotzigen Durchhalteparolen "Alles Ist Möglich", deren bester Beweis für ihre Richtigkeit soeben die Bühne betreten hat, folgen in loser Reihung mehr oder weniger bekannte Nummern aus Kaisers über die vielen Jahre gut gefülltem Repertoire. Einen einzigen Song kündigt er mit einer Ansage an: "Haben Sie vielleicht schon mal gehört." Klar. Ohne "Santa Maria" gehts nicht, am besten gleich im Dreierpack mit den anderen beiden Evergreens "Lieb Mich Ein Letztes Mal" und "Dich Zu Lieben". Eine deutsche Fassung des Bohlen-Heulers "Midnight Lady" darf mit, ebenso "Schach Matt" oder "Joanna".
Als "Sekretärinnen-Musik" pflegen Kritiker Roland Kaisers Werk zu schmähen. Ein Körnchen Wahrheit steckt schon drin, in dem Vorwurf. Oft erscheinen die Nummern so vertraut, dass man sich gar nicht mehr sicher ist: War das jetzt einst ein Hit? Handelt es sich um eine Coverversion? Oder ist die Machart einfach dermaßen traditionell, dass man sie schon altbacken schimpfen dürfte? Ein bisschen von allem, vermutlich.
Roland Kaiser singt überwiegend von Liebe und Leidenschaft, der Sehnsucht nach dem Ausbruch aus dem grauen Alltag, vom Flirt mit dem Tabubruch. Rebellentum oder Exotik finden jedoch höchstens in homöopathischen Dosen Platz, und das auch nur, so lange sie sich in gesellschaftlich akzeptiertem Rahmen bewegen. Der ewige Traum vom Seitensprung ... den man sich natürlich am Ende doch verkneift. Mit Rücksicht auf den guten Freund. Oder den netten Ehemann im Hotel nebenan. Das ist schon alles übersichtlich aufregend. Aber, hey! Wer Schlager hört, möchte schließlich einen Abstecher in eine heile Welt unternehmen. Auf Doppel-Album-Länge ufert dieser aber trotzdem ganz schön aus.
Irgendwann heißt es dann aber doch: "Danke! es war schön, bei Euch zu sein." Als Zugabe packt Roland Kaiser noch den Titelsong zum anstehenden Münster-"Tatort" obendrauf, in dem er einen Schlagersänger namens (huarr!) Roman König verkörpern wird. Bleibt schwer zu hoffen, dass der Krimi nicht ganz so gestrig ausfällt wie das Saxofonsolo aus "Egoist" - das scheint unmittelbar aus den übelsten 80ern herüber zu tröten. Mit Verlaub: Das zweifellos aktuellste Stück des Albums wirkt verstaubter als manche Nummer aus der Mottenkiste. Vielleicht bleiben wir doch besser bei den Oldies.
9 Kommentare
"Viva L' Amour" ist nicht dabei? Das Ding hat was. Irgendwie ist er der notorische "Ehebrecher des deutschen Schlagers" - in den meisten Liedern pirscht er sich an vergebene Mädels ran.
Ich muss zugeben, wenn Santa Maria, Amore Mio oder Sieben Fässer Wein im Radio läuft, wechsel ich nicht den Sender.
OT: Über Live-Aufnahmen denke ich völlig anders!
"OT: Über Live-Aufnahmen denke ich völlig anders!"
Ich auch... ergo, selten dämlicher Spruch der Rezensentin.
"Live-Aufnahmen habe imo mehr "Leben" "
Stimmt. Und in vielen Fällen sind die Live Versionen der Songs, den Studioversionen klar vorzuziehen.
Heino Rezi? hatten wir!
Kaiser Rezi? Ham' wir jetzt!
Liebe laut.de-Redaktion, wann kommt Andrea Berg, wann die Flippers (Meilenstein?!)?
Der Wendler wird alles zerbersten.