laut.de-Biographie
Sadat X
"Experience & Education" - der Titel ist Programm. Sadat X, der New Yorker MC aus den Reihen der ebenso umstrittenen wie legendären Crew Brand Nubian, veröffentlicht im Herbst 2005 fast zehn Jahre nach seinen Solo-Debüt seinen zweiten Longplayer. An "Erfahrung" dürfte es ihm also kaum mangeln, und auch mit "Erziehung" kennt er sich bestens aus, verdient er doch seine Brötchen, wenn er nicht gerade auf irgendeiner Bühne steht, als Volksschullehrer und Basketball-Coach.
Derek Murphys Zuhause ist die Bronx. Hier wächst er auf, hier entsteht seine Musik, hier möchte er Gehör finden. 1989 formieren sich Derek (zunächst Derek X, später Sadat X), Grand Puba, Lord Jamar und DJ Alamo (Dereks Cousin) auf Initiative von Jazzy Jay zu Brand Nubian. Über Jazzy Jay und den allgegenwärtigen Afrika Bambaataa entsteht eine starke Nähe zur Zulu Nation und der Native Tongues Posse, deutlicheren Einfluss übt jedoch die radikale Five Percent Nation of Islam aus. Brand Nubian kommen fast unmittelbar nach ihrer Gründung bei Elektra unter, wo sie 1990 ihr Debüt "All For One" veröffentlichen. Obwohl musikalisch wie raptechnisch auf hohem Niveau, gerät das Album ebenso wie seine beiden Nachfolger "In God We Trust" (1993) und "Everything Is Everything" (1994) aufgrund militanter homophober und rassistischer Texte in die Kritik. Brand Nubian trennen sich vorerst; die Mitglieder widmen sich Solo-Projekten.
Sadat X mit seinem unverwechselbaren Rap-Style hat diesbezüglich gute Karten: Er nennt Grandmaster Caz, LL Cool J, Grand Puba und Slick Rick als Inspirationsquellen. 1995 veröffentlicht er das Album "Wild Cowboy", danach passiert lange Jahre wenig - so scheint es. Einer genauen Betrachtung hält dieser Eindruck allerdings nicht stand. Derek studiert, unterrichtet und trainiert ein New Yorker Basketball-Team, macht (auch, wenn er nie zu einem Einsatz gerufen wird) eine Prüfung zum Feuerwehrmann, 1998 steht (mit dem Resultat "Foundation") die erste Reunion von Brand Nubian auf dem Plan. 1999 erscheint die sechs Tracks starke EP "State Of NY Vs Derek Murphy"; an der Produktion sind unter anderen Minnesota und Diamond D von D.I.T.C. beteiligt. Sadat X reist viel. "Reisen verändert dich, es verändert deinen Blickwinkel, und das ist gut so", konstatiert er.
2004 finden Brand Nubian ein weiteres Mal zusammen. Neben dem Album "Fire In The Hole" entsteht der Song "Brand Nubian", der Samples aus George Clintons "Flashlight" und Cameos "Rigor Mortis" verwendet und über das Videospiel "Grand Theft Auto: San Andreas" erhebliche Verbreitung erfährt.
Sadat X kollaboriert (neben vielen anderen) mit A Tribe Called Quest, Biggie, Everlast, Common und Redman. Für Jay-Zs "Blueprint 2" nimmt er gemeinsam mit diesem einen Track zu einem Neptunes-Beat auf, der schließlich allerdings doch keine Verwendung auf dem Album findet. Dafür featuret ihn Beanie Sigel auf "The B.Coming" (2005).
Wie aber, so fragt man sich, sieht es mit einem Sadat X-Nachfolge-Album aus? Ein solches ist seit mehreren Jahren im Gespräch, will und will aber nicht um die Ecke kommen. Was ist da los? Sadat X steht bei Mad Records unter Vertrag; die Zusammenarbeit erweist sich allerdings als nicht besonders fruchtbar. Nichtsdestotrotz nehmen die Rechtsstreitigkeiten, bis sich Sadat X aus seinen vertraglichen Verpflichtungen befreien kann, etliche Zeit in Anspruch.
Der Wechsel zu Female Fun bringt 2005 endlich den lang erwarteten Release. Sadat X' Lehrtätigkeit muss in diesem Jahr etwas zurückstecken. "Experience & Education" klingt in einer Weise typisch, dass man den Urheber bereits erkennt, noch bevor er die erste Zeile von sich gibt. Am klassischen New York-Sound sind witzigerweise die britischen P-Brothers nicht unbeteiligt; daneben mischen die alten Bekannten Diamond D und Minnesota wieder mit, DJ Spinna, Edo G. und die Money Boss Players (Sadat X’ Schützlinge supporten auch seine anstehende Tour) sind am Start, und Rock und Sean Price von Heltah Skeltah, von denen seit Jahren kein Lebenszeichen zu vernehmen war, rappen zum ersten Mal seit langem wieder gemeinsam. Für den Einkauf teurer Beats fehlen die finanziellen Mittel, also wird die Hilfe langjähriger Freunde in Anspruch genommen. Dem Ergebnis gereicht die Sparsamkeit keineswegs zum Nachteil.
Sadat X zeigt sich nach wie vor als überzeugter Anhänger der Prinzipien der Zulu Nation. Befragt nach seiner aktuellen Einstellung zu Bewegungen wie der Nation of Islam und Black Power gibt er im Interview mit ukhh.com zu Protokoll: "Ich habe mich weiterentwickelt. Deren Ansichten haben sich ebenfalls weiterentwickelt. Man muss Menschen an ihren Leistungen messen, das habe ich gelernt. Es gibt gute Weiße und schlechte Weiße, ... so wie es gute und schlechte Menschen aller Rassen und Hautfarben gibt. Das Leben ist zu kurz, um sich in Hass zu verrennen. Zeiten ändern sich, und ich möchte lieber glücklich sein und mich gut fühlen." Erfahrung und Erziehung führen zuweilen eben doch zu erfreulichen Einsichten.
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