laut.de-Kritik

Die heile Welt findet woanders statt: bodenständiger Folkrock.

Review von

Als feine Adresse für Folk-Rock der gehobenen Sorte gilt seit Jahren der Brite Seth Lakeman. "Hearts & Minds" findet nach bereits vier Alben als erstes auch den Weg zur europaweiten Veröffentlichung.

Lakeman bietet kernigen, handgemachten Folk-Sound, weitab handelsüblicher, aalglatter Chartskompatibilität. Dafür immer - siehe Titel - mit Herz und Seele versehen. Nicht nur textlich und gesanglich, denn er beweist sich auch als ausdrucksstarker Meister an der Violine.

Textlich wandelt Lakeman ebenfalls abseits allzu vordergründiger Lagerfeuer-Pfade. "Hearts & Minds" etwa setzt sich mit der Finanzkrise auseinander, eingebettet in einen ruppigen Beat und energischem, anklagenden Geigenspiel. Die "Tiny World" atmet dank dem quirligen Zusammenspiel von Rhythmik und Melodik den frischen Duft eines Folk-Tanzabends unter freiem Himmel. Fiedeln heißt bei Lakeman nicht gniedeln, und das hebt ihn äußerst angenehm von so manchem Kollegen ab.

Seth setzt das Augenmerk zwar gern auf traditionellen Songaufbau, doch die Arrangements geraten direkt und erdig, atmen immer das Unangepasste. Von gefälliger, sonorer Troubadour-Stimme keine Spur, stattdessen beschwörende, eindringliche Gesangs-Arbeit. Als geübtem Multi-Instrumentalisten fällt Lakeman der Spagat zwischen fingerfertigen Gitarrenlicks, Mandolinen-Spiel und einfühlsamer Violine nicht schwer, was zu sehr abwechslungsreiche Ergebnisse führt.

Neben den kritischen Betrachtungen zum Hier und Heute fließt auch klassische Folklore in die Songs ein. Beispielsweise auf "Preacher's Ghost", der die Story des Bergmanns Billy Bray thematisiert. Lakeman adaptiert die Legende aus dem 19. Jahrhundert und erzählt in eigenen Worten die Story über einen Menschen mit zunächst liederlichem Lebenswandel, der dann als Medthodistenprediger seinen Frieden mit Gott macht.

Die spartanisch instrumentierten "Changes" leben von der Intensität des Gesangs, und dem fein ineinander verwobenen Liedgut. Mit "The Circle Grows" gelingt dem Künstler ein intensiv ausgespielter, akustisch-zurückgenommener Ausklang, der im Hörer nachhallt.

Die heile Welt findet woanders statt, Seth legt sein Augenmerk auf Beobachtung und Interpretation. Der "Tender Traveller" verteilt keine Schokostückchen, sondern kämpft um das Leben in einer immer sinnentleerteren Welt. Für die erdgebundene, manchmal spartanische und nie überladene Produktions-Arbeit beweist Producer Tchad Blake (Tom Waits, Elvis Costello, Los Lobos) Gespür für die Intentionen seines Schützlings. Bodenständigkeit und Rückkehr zu den Wurzeln ist das, worauf es Lakeman ankommt.

"Hearts & Minds" überzeugt als angenehm unaufgeregt und stets auf den Punkt kommendes Folkrock-Album. Die Stärken liegen in den leisen Tönen, doch auch druckvolles Schlagzeug sorgt für den stimmigen Ausgleich. Und wenn er gebraucht wird, um die Aussagen eines Songs zu unterstreichen, schaut schon mal ein rüder Rock um die Ecke.

Wo andere weiterhin ihre Lady In Red anbeten, sitzt Seth Lakeman derweil mit der Geige an den Klippen am Meer und misst sich mit den rauen Gezeiten.

Trackliste

  1. 1. Hearts & Minds
  2. 2. The Watchman
  3. 3. Tiny World
  4. 4. Spinning Days
  5. 5. See Them Dance
  6. 6. Stepping Over You
  7. 7. Changes
  8. 8. Tender Traveller
  9. 9. Hard Working Man
  10. 10. Preacher's Ghost
  11. 11. The Circle Grows

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