laut.de-Kritik
Selbstverwirklichung in den Plattenbauten von Neukölln.
Review von Dani FrommAuweia. Der einstige Musiksender VIVA bewegt sich wieder einmal an den Puls der Zeit (oder was man im Hause MTVIVA dafür hält) und beglückt die Zuseherschaft mit einem weiteren Reality-Doku-Format. In acht Episoden soll "die Berliner Rap-Szene ... eingehend beleuchtet" werden. Die Vorstellung, was dabei herauskommen mag, lässt mich schaudern - dazu hätte es des grottigen Titels "Unser Block" gar nicht bedurft. Uns stehen "intime Einblicke" in den "täglichen Kampf zwischen Behauptung und Selbstverwirklichung zwischen den Plattenbauten von Berlin Neukölln" ins Haus.
Ich bin mir relativ sicher, dass ich darauf gut hätte verzichten können. Allerdings gestaltet sich die Wahl der Hauptdarsteller höchst erfreulich: Mit Serk MC und She-Raw gehen die beiden Zugpferde von Maintheme Records an den Start: verstärkt durch Beatfanatika Amun ein Team, auf dessen Output in Form von "41 Karat" ich durchaus gespannt war - wie sich heraus stellte: zu Recht!
She-Raw ist überragend. Stellte sie erst kürzlich mit ihrem Debüt "Beauty And The Beats" klar, wo der Hammer hängt, setzt sie hier noch einen drauf. She-Raw spuckt, so im Eröffnungstrack "Amun, She-Raw & Serk" oder in "Hey Joe" (das nebenher ebenso interessante wie erheiternde Einblicke ins stinkende Show-Biz gewährt), knallharte Rhymes. Dabei tönt sie einerseits stinkwütend, flowt aber gleichzeitig in einer Weise technisch versiert und gelassen, als hätte sie seit mehreren Jahrzehnten nichts anderes getan; bestes Beispiel hierfür liefert "Berlin 4 Life". Nicht nur in Anbetracht der Tatsache, dass die Dame gerade mal 22 ist: eine reife Leistung. Sie kann auch sachte, wie die stimmungsvolle R'n'B-Nummer "Just A Friend" zeigt. Wenn She-Raw verkündet "Ich switch hin und her zwischen Raps und Gesang" (aus "Diss Auch So"), so handelt es sich keineswegs um eine leere Behauptung. Dass sie nebenbei auch mühelos vom Englischen ins Deutsche und zurück wechselt, sei hier nur am Rande erwähnt.
Labelkollege Serk setzt sich ebenfalls exzellent in Szene: Auch er schlägt raptechnisch derbe auf die Zwölf, tut dies auch gerne mal in Hochgeschwindigkeit, und was er (gemeinsam mit She-Raw) in "Diss Auch So" zum Besten gibt, lässt den langweiligen Beat und das üble Oh-oh-Gesinge im Hintergrund vollkommen vergessen. "Alle erblassen vor Neid"? Kann man so sagen: Die beiden singen und rappen in der Tat wie Götter. Serks Beat zu "Berlin 4 Life" zählt, obwohl er ruhig noch mehr Wucht vertragen hätte, zu meinen Favoriten auf "41 Karat". Mit "Ich Zähl Die Dunklen Tage" serviert Serk des weiteren eine amtliche Reggae-Nummer, mit der er auf dem deutschen Dancehall-Parkett anstandslos besteht. Auch hier viele Background-Oh-ohs, auch hier verzeihe ich die gern.
Amuns Beats mit elektronischem Anstrich sind clever konstruiert, obwohl mir gelegentlich der Druck fehlt, schrauben sie sich doch ins Ohr. Die Melodien seiner Instrumentals bleiben dort auch umgehend hängen - was nicht nur für die hart an der Kitschgrenze entlang schrammende Schnulznummer "Baby Wo Bist Du?" gilt, ein rührender Schmachtfetzen, ohne Zweifel. In "B-E-R-L-I-N" plättet Amun mit energischen Raps, in "Topspitta" bringt er gleich noch seine Illyrix ins Rennen, in deren Reihen sich mit Chagome und Duell zwei weitere Kandidaten für die Rubrik 'will ich mehr von hören' verbergen.
Alle Beteiligten auf "41 Karat" sind mit dem Herzen dabei und zeigen "ihr Berlin" aus sehr persönlichen Blickwinkeln - was die Geschichten glaubwürdig macht, interessant deswegen noch lange nicht. Eine Danklitanei an Familien und Freunde ("Für Euch") ist zwar sicher angemessen, wird aber inhaltlich außer den angesprochenen Personen nur wenige kicken. Zwang erweist sich in "Bist Du Auch Ein Berliner" als technisch nicht schlecht, hat allerdings auch nichts zu sagen, das in irgendeiner Weise aufregend wäre. Serk und Amun fahren in "Game Over" unfassbar klassische (um nicht zu sagen: ausgelutschte) Battle-Lyrics auf: Frisch verwöhnt von Tones "Ekelerregenden Raps" bediene ich mich schamlos der Worte des Kollegen Cordas und behaupte: Damit ist heute kein Schnitzel mehr vom Teller zu ziehen.
Trotzdem: Maintheme bleibt im Berliner Sumpf eine der Ausnahmeerscheinungen. Die Damen und Herren verdienen, in Auge und Ohr behalten zu werden. Shadow und Cenz klingen in "Team Berlin" ausgesprochen vielversprechend, obwohl der lauwarme Beat so gar nicht überzeugt. Serk MCs Solo-Schlag ist für Anfang 2006 angekündigt. "41 Karat" liefert mir mehrere sehr gute Gründe, mich darauf jetzt schon mal vorzufreuen.
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