laut.de-Kritik

Wie das Pop-Rock-Gegenstück zu einem Schluck lauwarmen Wasser.

Review von

Ohne ketzerisch zu klingen: Braucht die Welt tatsächlich neues Material von Bands wie den Simple Minds? Überhits wie "Don't You (Forget About Me)" oder "Belfast Child" schweben seit den Achtzigern wie ein Damoklesschwert über den Schotten. Eine unfaire Messlatte vielleicht, aber wer die Band nicht nur aus den Tagen ausverkaufter Stadien kennt, erfreut sich seit Jahren an einer ganzen Reihe solider, wenn auch tendenziell durchschnittlicher Alben.

Seit Anfang des Jahrzehnts beschränken sich die Originalmitglieder Sänger Jim Kerr und Gitarrist Charlie Burchill überwiegend auf die Zelebration ihrer Gassenhauer. Immer mal wieder erscheinen vereinzelte Tracks auf diversen Zusammenstellungen, 2014 mit "Big Music" sogar wieder ein neues Album. Doch spätestens auf der Bühne stehen die Klassiker im Vordergrund. Gipfel der Entwicklung war das 2016 veröffentlichte "Acoustic" mit ausgestöpselten Versionen alter Hits.

Auf ihrem 18. Studiowerk greift die Band nun erneut überwiegend auf Material zurück, das bereits diverse Jahre auf dem Buckel hat. Die Wurzeln des Openers "Magic" beispielsweise reichen bis in die Mitte der 90er Jahre, "Angel Underneath My Skin" stammt aus der "Cry"-Ära. Das schmeckt in letzter Konsequenz ein bisschen nach Resteverwertung. Insgesamt bemühen sich die Simple Minds wie schon oft in ihrer Karriere redlich um zeitgemäße künstlerische Relevanz, ohne dabei die ureigene Band-DNA zu verleugnen. Das eher düstere "The Signal And The Noise" sowie das ähnlich gelagerte "In Dreams" paaren moderne Retro-Klänge mit Kerr-typischen Gesangslinien zu halbwegs gelungenen Brückenschlägen.

"Barrowland Star" schmeckt erst deutlich nach Bowie, biegt dann in einen mustergültigen Simple-Minds-Refrain ab, "Sense Of Discovery" erweckt zarte "Alive And Kicking"-Reminiszenzen. Ebenfalls nett: Der Titelsong, der einen Discofox-Groove mit einer Fuzz-Hook paart. Und in dem Moment legt Kerr seinen patentierten Prediger-Charme drüber. "Summer" klingt im Kontrast zu sehr nach gewolltem Hit und auf Airplay-Tauglichkeit hin konstruiert.

"Walk Between Worlds" fühlt sich insgesamt wie das Pop-Rock-Gegenstück zu einem Schluck lauwarmen Wasser an. Tut keinem richtig weh, etliche sind vielleicht sogar begeistert. Letztlich ist das alles aber zu blutarm. Nicht mal den Folk-Schmachtfetzen "Dirty Old Town" (erhältlich auf der um drei Tracks aufgepumpten Deluxe-Was-weiß-ich-Edition) kann man Kerr und Co. vorwerfen. Richtig mies ist das alles nicht, nur eben auch nicht überzeugend. Um Homer Simpson zu zitieren: "Laaaaangweilig". Mehr Mut, vielleicht sogar eine Prise Schmutz würde dem Sound eine neue Note verleihen, die - ohne die Stammhörerschaft zu erschrecken - selbst alte Meckerköppe wie den Autor mal wieder aufhorchen lassen könnte. Vermutlich darf man da aber lange drauf warten.

Trackliste

  1. 1. Magic
  2. 2. Summer
  3. 3. Utopia
  4. 4. The Signal and The Noise
  5. 5. In Dreams
  6. 6. Barrowland Star
  7. 7. Walk Between Worlds
  8. 8. Sense Of Discovery

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3 Kommentare mit 4 Antworten

  • Vor 6 Jahren

    leider wahr. würde man die letzten drei studioalben mit ihren jeweils 2,3 wirklich gelungenen zusammenschneiden und den mediokren ballast aussondern, hätte man ein wirklich gutes, atmosphärisches rockalbum mit 8-9- liedern.

    künstlerisch hatten sie ihren zenit sowieso vor der pathetischen phase. das finstere "real to real", das wavy "empires and dance" plus "sister feelings call" haben wirklich noch definiert, statt hörgewohnheiten zu bedienen. dagegen ist "alive and kicking" etc echt tüdelkram.

    • Vor 6 Jahren

      "Alive And Kicking" war zwar nicht ein sehr intelligenter Track, aber dafür sehr unterhaltsam. Bevorzuge wirklich primär die Stadionrockphase, allen voran "New Gold Dream" und mit leichten Abstrichen "Sparkle In The Rain". Spätestens ab den frühen 90ern mutierten sie jedoch zur eigenen Coverband, aber dafür sind sie live eine solide Bank. Das muss man den Herren auf jeden Fall lassen.

    • Vor 6 Jahren

      "Once Upon A Time", "Street Fighting Years" und "Good News From The Next World" konnte man auch noch gut durchhören. Aber diesen Bombast-Indie-Synth-Rock den man bei Simple Minds sucht, bekommen White Lies mittlerweise viel besser hin.

    • Vor 6 Jahren

      Street Fighting Years ist wirklich ein sehr geniales Album. Aber irgendwie steht es ja auch für sich

  • Vor 6 Jahren

    Ich mag die Dimple Minds eh viel lieber.

  • Vor einem Jahr

    Wie auf allen späteren Werken findet man auch hier Hörbares (Summer), einen Track mit Anleihen an früher der meistens dann auch der Höhepunkt ist (The Signal and the Noise) oder Tracks die gut anfangen aber beim Refrain versagen (In Dreams). Der Rest pendelt zwischen stets bemüht (Silent Kiss) und strunz langweilig (alles andere).