laut.de-Kritik
Gehetzt, schlecht gelaunt und monoton – auch auf den Raritäten.
Review von Stefan MertlikBrexit, Corona, düstere Aussichten – das Königreich brennt. Mittendrin stehen die Sleaford Mods, die von Nottingham aus den Mittelfinger in Boris Johnsons Richtung strecken. Seit 2007 beschäftigt sich das Duo mit den Problemen der Arbeiterklasse. Schimpfworte befeuern Jason Williamsons beharrlichen Redeschwall aus Alltagsbeobachtungen. Dazu passen die minimalistischen Lo-Fi-Instrumentale von Andrew Fearn, die ihren Ursprung in Hip Hop, Post-Punk und Elektro haben.
Nach dem hervorragenden "Eton Alive" von 2019 legen die Briten "All That Glue" nach, irgendetwas zwischen Best-Of, B-Seiten-Sammlung und Resterampe. Die Platte funktioniert weder als elftes Studioalbum noch als vollständige Werkschau. An der Qualität der Musik nagt das nicht. Dafür haben sich die Sleaford Mods im Laufe ihrer Karriere zu wenige Experimente erlaubt. Egal, ob sieben Jahre alt oder bisher unveröffentlicht, die 22 Lieder klingen wie aus einem Guss.
Bekannte Stücke, von den Mods handverlesen, bilden den Kern von "All That Glue". So enthält die Platte neben Klassikern wie "Tweet Tweet Tweet", "Job Seeker" und "B.H.S." auch das erst ein Jahr alte "O.B.C.T.". Den Greatest Hits stehen allerdings sieben Stücke gegenüber, die es bisher nicht zu hören gab - für Fans ein ausreichendes Kaufargument. Zumal sich die Lieder nicht als Ausschussware entpuppen.
Auf "Blog Maggot" giftet Williamson mit hochrotem Kopf gegen die Pop-Elite: "Robin Thicke? Thick as fuck!" Dass das Duo mittlerweile selbst anständig von der Kunst leben kann, ändert nichts an der Dringlichkeit der Musik. In "Rich List" versetzt sich Williamson in die Lage eines Zeitungslesers, dem die Besessenheit der Medien an berühmten Menschen aufstößt: "I give a fuck about your life."
Der Sound der Briten lebt von Wiederholungen. Drum-Loops brettern unverändert durch die minutenlangen Lieder und entwickeln dadurch eine hypnotische Wirkung. Oft ergänzen das Trance auslösende Schlagzeugspiel lediglich Bassschleifen, die sich bereits nach einem Takt im Kreis drehen. Einfache Sound-Elemente wie Pfeifen oder Melodiehupen lockern die Refrains auf, in denen Williamson die immer gleichen Stichworte mantraartig aufsagt.
Sleaford Mods klingen gehetzt, schlecht gelaunt und monoton. Eine Beschreibung, die vielleicht auch zum Leben der britischen Arbeiterklasse passt. Das Aufbrechen von Hörgewohnheiten kombiniert mit schmerzhaft ehrlichen Texten macht diese Musik so reizvoll.
6 Kommentare mit 9 Antworten
5/5 ich liebe sie!
1/5 Ganz schlimm! Kann den Hype um die nicht nachvollziehen.
Kann ich verstehen, bei denen funktioniert irgendwie nur + oder -. Vielleicht bringt dich die ARTE Doku dazu zumindest zu verstehen, was so besonderes in ihnen gesehen wird?
Verstehe das schon.
Finde es halt für mich unerträglich umgesetzt.
Verstehen Sie Punk?
mir geht es wie paranoid, kann mir das trotz bester absichten einfach nicht geben.
HAPPY MONDAYS waren auch so ein Fall. Ich mags.
Sicher nix für die Albenlänge bei mir, aber ich liebe seine rants und den fookin' Dialekt. Zwei, drei Stücke sind es schon zuverlässig auf jeder Platte, die es auch in private und/oder öffentliche Setlists schaffen.
@ParanoidAndroid
Wie oft willst du noch bei den Mods rumflennen, dass du sie scheiße findest? Verpiss dich doch endlich wieder zu Plattentests zu den Radiohead Fanboys. Und lösch dich!
Wer spricht denn mit Dir, Du Amöbe?
Hat sich dieser Nachkomme einer Bordsteinschwalbe hier jetzt wirklich angemeldet um Einen auf starker Mann zu machen? Para kritisiert diese Schrottmusik ja vollkommen zu Recht!
Kann ja nicht jeder so nen dicken LKW mit Namensschild vorne drin fahren, so wie du *brumm* *brumm* Achtung, alle auf die Seite, MANnIN kommt! Döööööööt!
1/5 Musik für schwerstbeeinträchtigte Busfahrer!
Feier ich. Zusammenstellung ist irgendwie komisch, nur B-Seiten oder nur Remastered hätte auch gereicht, aber die stoßen ja eh gerne gegen Köpfe (s.o.).
Eine der innovativsten Bands überhaupt. Diese Punk-Attitüde kriegt keine mir bekannte Gitarrenband heute hin. Und mit den beiden ursympathischen Dudes kann man nach nem Gig ganz wunderbar einen durchziehen.