laut.de-Kritik

Großartige Geschichten von der Straße.

Review von

"You want one? Fine! You know where the fuckin' shop is! Don't ya?" - Acht Sleaford-Mods-Alben in acht Jahren: Untätigkeit in Sachen Output kann man Jason Williamson und Andrew Fearn wahrlich nicht vorwerfen. Ein Jahr nach ihrem letzten Longplayer "Divide And Exit" steht das britische Duo nun mit "Key Markets" in den Startlöchern.

Die Zeichen stehen auf Sturm: die Band hat in letzter Zeit endlich auch die Aufmerksamkeit der Presse und eines größeren Publikums gefunden, Jason Williamson hat letztes Jahr seinen Brotjob gekündigt um sich Vollzeit auf die Mods zu konzentrieren. Kommerziell getriebene Gedanken also, hence the title (der eigentlich auf einen Supermarkt anspielt, in den Williamson in seiner Kindheit oft besuchte)? Ahem, nicht so wirklich.

"Sleaford Mods! Sleaford Mods!" – ein sympathischer Herrensprechchor, wie in einem britischen Vorstadt-Pub aufgenommen, leitet das zwölf Songs umspannende neue Werk ein. Das ist würdig und recht, das ist gebührend. Dann Bass, Drums, mal hektischer, mal hysterischer. Eben das Nötigste, mehr braucht es nicht, um diese Geschichten zu erzählen, durch und durch politisch, von Animositäten und von der Straße, von einer nicht unerheblichen Wut im Bauch, von Stress mit irgendwelchen Bastards. Von schlechten Musikgeschmäckern und Popkultur. Ohne Ironie, aber durchaus mit Humor.

Dann kommt auch schon Williamson ins Geschehen mit seinem wunderbaren, völlig schnörkellosen East-Midlands-Slang. Diesem Akzent, genauer gesagt der Nottingham-Variation, haftet naturgemäß nur wenig albionische Inselromantik oder romantisches Dandytum an – das passt ganz wunderbar, no bullshit, no nonsense, keine Zeit für Floskeln oder Höflichkeiten, you twat! Oder wie es im famosen "Bronx In A Six" heißt: "All you chinny wine tasters die in boxes like the rest of us wasters".

"It's a war, you bastards!" - Es gibt vieles, auf das Sleaford Mods sauer sind. Lebensumstände, Scheißjobs: "Free money made, just fill in the form / If ya can't I will help ya / Put yourself in the queue and I'll come to ya" ("Face To Faces"). Oder Politik, Kleinstadt-Leben, Kleinstadt-Clubkultur: "Bragging on about your music moves/You run a crap club in Brum/You lose/I won" und auf all die Scheißbands und "fuckin' shit singers" und "circus bands run by circus men" ("Cunt Make It Up", wunderbar!).

Hier wird direkt gesprochen, auch gleich direkt angesprochen, adressiert (die britische Moderatorin, Sängerin und DJane Lauren Laverne zum Beispiel oder der britische Politiker Nick Clegg), hier gibt's Feinde und Feindbilder en masse, da braucht es die Direktheit einer Straßenschlägerei. "This daylight robbery is now so fucking hateful, it's completely accepted by the vast majority, in chains", heißt es in "Face To Faces". Sleaford Mods erzählen Geschichten und tun das ohne Umschweife und Floskeln. Scheiß auf Zurückhaltung.

Bei all dem sind die Texte von Sleaford Mods natürlich auch sehr lokal-spezifisch. Siehe unter anderem die oben angesprochenen Namensnennungen, was es - abgesehen vom Slang - für Nicht-Engländer_innen in einigen Details nicht immer ganz einfach macht, (der Autor dieser Zeilen beispielsweise musste Nick Clegg und Lauren Laverne erstmal googeln)

Musikalisch geht es hier ganz minimalistisch zur Sache: irgendwo zwischen Post-Punk, Elektronik und Hip Hop kommt das Ganze daher, mit nicht viel mehr als oft hektischen Drumbeats und ebensolchen Bassläufen. Die Sleaford Mods bleiben wütend, ohne in Zynismus zu driften. Und konsequent. Und vulgär. Und direkt. Und großartig.

Auf dass ihnen endlich der große Erfolg gegönnt wird. Diese Wut im Bauch wird ihnen auch so schnell nicht abhanden kommen. Zum Glück für uns.

Trackliste

  1. 1. Live Tonight
  2. 2. No One's Bothered
  3. 3. Bronx In A Six
  4. 4. Silly Me
  5. 5. Cunt Make It Up
  6. 6. Face To Faces
  7. 7. Arabia
  8. 8. In Quiet Streets
  9. 9. Tarantula Deadly Cargo
  10. 10. Rupert Trousers
  11. 11. Giddy On The Ciggies
  12. 12. The Blob

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