laut.de-Kritik
Auf Zeitreise mit dem Ayreon-Ableger.
Review von Yan VogelDinge und Strukturen, die früher fernab jeglichen Denkens gewesen sind, erfreuen sich heute angepasster Realität. Niederschwelligkeit heißt das Gebot der Stunde gerade mit Blick auf Mobilität und Kommunikation. Wobei niederschwellig nicht bedeutet, dass man nicht über das Ziel herausschießen kann. Sci Fi-Träumereien faszinieren auch heute und fachen die Träume an, man denke an Mr. Tesla höchstpersönlich, der seine Scheine eher jetzt als gleich ins Weltall schießen würde. Diese Umstände macht sich Arjen Anthony Lucassen, die zwei Meter große Ein-Mann-Armee zu nutze und kredenzt in regelmäßigen Abständen futuristische Endzeitvisionen unter dem ewigen Sternenhimmel.
Mit "Revel In Time" betont Lucassen nach dem Grusical "Transitus" wieder die harte Seite seines Schaffens. Das schöngeistige Schauermärchen ist passè. Die Devise lautet: Wo rohe Kräfte sinnlos walten. Zahlreiche Prominenz wie Nightwish-Fronterin Floor Jansen oder Gitarren-Genius Steve Vai veredelt die Tracks des Prog Metal-Wunderwerkes nebst schwebenden wie schneidenden Synthies. Schnörkellos und straight bedient sich Lucassen konzeptionell diesmal an Filmen, die das Thema Zeit behandeln. Dies gipfelt im opulenten Abschluss "Lost Children Of The Universe" mit Ex-Black Sabbath-Sänger Tony Martin, basierend auf der filmischen Vorlage des Nolan-Schinkens "Interstellar".
Müßig zu erwähnen, dass auch eine österreichische Kampfmaschine mit dem ikonischen Ausspruch "I'll Be Back" musikalisch gestreift wird. Wer tiefer in die Materie eintauchen möchte, dem seien die Videos im Rahmen der Social Media-Kampagne empfohlen, in denen Lucassen über die Sänger*innen-Auswahl sowie die zugrunde liegenden Filme Auskunft gibt.
"Revel In Time" ist verglichen mit den ersten beiden Star One-Alben anders gestaltet. Bildeten die vier Vocalisten Damian Wilson, Russel Allen, Dan Swanö und Floor Jansen das Grundgerüst und führten in mannigfacher Zusammensetzung durch die Alben "Space Metal" und "Victims Of The Modern Age", geht Lucassen Pandemie-bedingt wieder die in der Vergangenheit ebenfalls etablierten Track by Track-Wege, sprich jeder Sänger erhält seinen Song-Spot.
Am ehesten knüpft die Platte in Machart und Feeling an "Universal Migrator Part II" an. Auch das Artwork erinnert an Ayreon-Alben wie "01011001" oder "The Theory Of Everything". "28 Days (Till The End Of Time)", basierend auf der Coming Of Age/Endzeitvision Donnie Darko, veredelt Russel Allen mit einem kraftvollen Vortrag, wie er ihn bei seiner Stammformation Symphony X oder auch bei Ayreon - man denke an "Dawn Of A Million Souls" - zuhauf zum Besten gegeben hat.
Bei "Back From The Past" platziert Lucassen Jeff Scott Soto (Sons Of Apollo, W.E.T.) hinter dem Mikro. Den Hardrock-Einschlag im Stile von Deep Purple und Rainbow unterfüttert eine röhrende Hammond-Orgel, wobei es sich der holländische Hüne in der Bridge nicht nehmen lässt, mit einigen tiefer gelegten Riffs auf moderne Hose zu machen. Joe Lynn Turner, ein weiterer versierter Vertreter der gepflegten Hardrock-Trällerei, wartet beim stampfenden "Year Of '41" auf zu einem Stelldichein.
Der Titelsong schlägt eine Brücke zu Bruce Dickinsons Soloalben "Tyranny Of Souls" und "Chemical Wedding". Das Timbre von Brandon Yeagley klingt wie der Meister von Maiden persönlich, und Adrian Vandenberg punktet in der Hommage an den Klammauk-Klassiker "Bill And Ted" mit einem schmissig-schneidenden Solo der Marke Adrian Smith.
Der düster dräuender Bariton von Dan Swanö interagiert im Dark Wave-angehauchten "Today Is Yesterday" hervorragend mit den weiblichen Backing Vocals. Die zwei hochfliegenden Tenöre Michael Mills (Toehider) und Ross Jenkins (Haken) tanzen in "Prescient" den Hörer in kontrapunktisch verschlungenen Melodien und Mercury-haften mehrstimmigen Passagen schwindelig.
Lucassen lässt mannigfach Content vom Stapel. Neben der regulären CD gibt es in bester Transatlantic-Tradition eine zweite Fassung, die noch mal eine andere Sänger*innen-Zusammenstellung enthält. Insofern liefert der 61-Jährige auch dieses Mal doppelt ab, wenn auch mit mehr Schmackes und Direktheit als auf den überbordenden Konzepten "The Source" oder "Transitus". Gut vorstellbar, einen der elf Tracks auf einer der kommenden Live-Sausen zu hören, da sie eine gute Ergänzung des Ayreon-Kosmos darstellen.
2 Kommentare mit 3 Antworten
Sänger*innen? Welche diverse Person singt denn bei Star One?
Musik, die einem das Leben aussaugt. Überkomponiert und nichtssagend, sterbenslangweilig und selbstgerecht.
Stellt herrgottnochmal endlich neue Autoren ein, die ihr Genre auch mögen...!
Huiuiui, was macht dich denn ausgerechnet Ayreon so wütend? Arjen ist ein grundsympathischer Dude und seine Musik hat sowohl Alleinstellungsmerkmale wie auch seine Daseinsberechtigung im Metal. Wenns nicht dein Geschmack ist, kannst du da ja getrost nen Bogen drum machen. Oder bist du heute einfach mit dem falschen Fuß aufgestanden?
Der Arjen mag ja grundsympathisch sein, macht nur leider seine Musik nicht besser.
"seine Musik hat sowohl Alleinstellungsmerkmale wie auch seine Daseinsberechtigung im Metal."
Diskutabel. Ich hör da nur prätentiösen Altherrenmetal. Produktion klingt, der Musik entsprechend, auch wie ein lauwarmer Hühnerfurz. Und ich sag nichtmal, dass alte Säcke es nicht besser hinkriegen könnten, die jüngste Voivod-Platte hat etwa gezeigt, dass auch gesetzte Herren mit Passion musizieren können.
"Wenns nicht dein Geschmack ist, kannst du da ja getrost nen Bogen drum machen."
Du hast natürlich Recht. Im wesentlichen richtet sich mein Diss ja gegen die schnarchige Metalredaktion hier, die sich seit Jahren konstant weigert, anzuerkennen, dass es da draußen mehr gibt als leidenschaftsbefreiten Boomer-Metal. Das ist alles.
Hab ich während der Studienzeit über meinen damaligen Sozialkundeleh.. ähm Professor in Sozialpsychologie kennengelernt, Riesen-Fan, und hab immer mal wieder beim Reinhören über die Jahre Anteile von Doldos genauso wie Schwingos Beschreibungen drin gefunden.
Und wie alle vor und nach der 95-99er-Besetzung von "The Gathering" hat er sich mächtig an dem Versuch verhoben, Anneke van Giersbergen nochmal in ein nach 0% Plastik und wenigstens 80% Passion für's gerade einzusingende Musikstück klingende Song- und Soundgewand zu kleiden. Mehrmals, tragischerweise.