laut.de-Kritik
Hauptsache irre und provokant: That's Electro-Punk-Entertainment.
Review von Jasmin LützRoland Emmerichs Katastrophenfilm "2012" scheint doch einige Menschen zum Nachdenken zu bringen. Entweder sie lösen sich vorm Untergang noch schnell auf (siehe Superpunk) oder aber sie beehren uns mit einer neuen kreativen Song-Explosion, siehe Stereo Total. Ihr bereits elftes Weltwunder "Cactus Vs. Brezel" (die Covergestaltung stammt vom Katzen-König Klaus Cornfield) vereint mal wieder glorreich Punk, Disco, Elektro, Chanson und frankophilen Zuckerwatten-Pop. Seit fast 20 Jahren betreiben Sängerin Francoise Cactus und Brezel Göring nun diese skurrile deutsch-französische Harmonie.
In sexy 2- bis 3-Minuten-Songs geht es diesmal sehr französisch zu. Madame Cactus singt und wählt ja die Sprache, wie es ihr gefällt. Das ist schön und auch nonchalant (dt. lässig). Von ihrem charmanten Akzent bekommt man einfach nie genug. Dabei trommelt sie souverän im Takt, während sich Brezel um die zahlreichen Sound-Effekte kümmert. Et volià, fertig ist das pure Entertainment, das dieses Duo ausmacht.
Mit "Die Frau in Der Musik" steigert sich gleich die Laune und ja, da sind sie, die Punk-Feministen Stereo Total: souverän bekloppt und weit weg von Ernsthaftigkeit. "Le Ridicule ne tue plus" rockt dagegen wieder mehr. Keine Ahnung, wovon Francoise hier genau spricht, aber frei übersetzt heißt es wohl "Das Lächerliche tötet nicht mehr". Und wenn das nicht wieder poetisch-clever getextet ist.
"Ein Lied für Vegetarier" reiht sich gleich in die Stereo Total-Klassiker ein: "Heute früh verlasse ich das Haus, die Leute sehen wie Gemüse aus ..." Ganz lieb singt sie da von Fräulein Spargel, aber innerlich kochte sie, als der Text enstand ("Dieser lange Spargel ist die größte Nutte unter den Gemüsen") Jawoll, so muss das Süppchen klingen. Hauptsache irre, provokant und locker aus dem Hirn geschossen.
Ein wenig Reim muss trotzdem sein: "Stress-Baroness, du Scheiß-Exzess". In "Das Monstrum" kommt der ganze Frust raus. Wunderbar! Während Madame Cactus eigentlich an Figuren aus Horrorfilmen dachte, sprang da wohl ganz plötzlich auch die Alice Schwarzer ("Schlecht gekämmte Lügnerin") aus der imaginären Leinwand. Für diese Hommage braucht das Duo nicht mal zwei Minuten. Der Song eignet sich übrigens auch für jeden Zickenkrieg oder Befindlichkeitsanfall, wenn die Freundin oder die Kollegin einem mal wieder so richtig auf die Eierstöcke geht.
"Cactus Vs. Brezel" ist Kreuzberg, Paris, Underground und Cologne zusammen. Hier findet man zu jeder Zeit den passenden Spruch fürs nächste Tattoo ("Die Frau in der Musik stört immer").
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