laut.de-Biographie
Suede
Zu Beginn der Neunziger Jahre bestimmen langhaarige Combos aus Seattle mit schmuddeligen Holzfällerhemden die Szene. Glamour und Musik aus England sind zwei Jahre vor dem Britpop-Boom verpönt. In dieses für sie ungemütliche Umfeld platzen Suede und avancieren quasi über Nacht zur wohl aufregendsten britischen Gitarrenband.
1992 gehören sie zu den absoluten Lieblingen der bekanntermaßen 'begeisterungsfähigen' britischen Musikpresse: Coverstorys, Vergleiche mit David Bowie und den eigentlich unvergleichlichen The Smiths und das alles, ohne eine einzige anständige Platte veröffentlicht zu haben. Auf der Insel nichts Besonderes, hierzulande Grund genug, die Nasen zu rümpfen und "Hype!" zu brüllen.
1989 ziehen die Schulfreunde Brett Anderson (Gesang) und Mat Osman (Bass) aus ihrem Arbeiterklasse-Heimatkaff in der Nähe von Brighton nach London und gründen gemeinsam mit Gitarrist Bernard Butler, den sie per Annonce im NME finden, die Band Suede. Unterstützt von einer Drum-Machine und Bretts damaliger Freundin Justine Frischmann (ehemalige Elastica-Sängerin und Ex von Blurs Damon Albarn) als zweiter Gitarristin sammeln sie erste desaströse Live-Erfahrungen.
Es folgen der Ausstieg Justines und der Rauswurf der Maschine. An deren Stelle tritt Drummer Simon Gilbert. In dieser Kombination klappt es: Suede schließen mit dem Indie-Label Mute einen Vertrag über zwei Singles und beginnen, auf Livegigs eine ständig wachsende Anhängerschaft um sich zu versammeln.
Die hinreißend melodischen Gitarrenriffs, die melancholischen, in sexueller Grauzone angesiedelten Texte und Bretts unglaublicher Gesang sorgen für Aufsehen und der erwähnte Hype beginnt. Nach den Singles "The Drowners", "Metal Mickey" und "Animal Nitrate" schießt das Debüt-Album im März 1993 direkt auf Platz eins der UK-Charts. "Top Of The Pops"-Auftritte, Awards und ausverkaufte Konzertsäle sind die Folge.
Ein Jahr später, während der Aufnahmen zum zweiten Album "Dog Man Star", kommt es zum Eklat: Bernard Butler, bis dahin musikalischer Kopf der Band, verlässt Suede. Anderson führt die Arbeit weitestgehend alleine zu Ende. Das Album orientiert sich mehr in Richtung Bombast-Rock und erntet erneut Kritikerlob, reicht aber nicht ganz an den kommerziellen Erfolg des Debüts heran. Der aufkommende Britpop-Hype scheint Suede - im Gegensatz zu den Kollegen von Blur und Oasis - eher zu schaden als zu nutzen. Im erst 17-jährigen Richard Oakes findet sich ein Nachfolger für Butler.
Mit dem Nummer-eins-Album "Coming Up" feiern Suede, die sich in den USA aufgrund der Klage einer Sängerin namens Suede The London Suede nennen müssen, 1996 ihre triumphale Rückkehr an die Spitze der britischen Popliga. Fünf Top-10-Singles und das nur aus B-Seiten bestehende Doppelalbum "Sci-Fi Lullabies", das ebenfalls die Top 10 erreicht, untermauern diese Stellung. Mit Keyboarder Neil Codling erhält die Band zudem neue musikalische Inspiration.
Die zeigt sich auf "Head Music", dem vierten Album der Briten, das keyboardlastiger und experimentierfreudiger ausfällt, ohne die eigene Linie aufzugeben. "A New Morning" von 2002 dagegen erscheint insgesamt zu glatt, die Melodien zu gefällig. Zu viel Sprühstärke hat Produzent Stephen Street (Blur, The Smiths) verwendet, um in die samtenen Schlaghosen des ureigenen frechen Suede-Sounds schnurgerade Bügelfalten hinein zu zwingen.
Nach der 2003er "Singles"-Werkschau ist dann vorerst Schluss. Brett Anderson verkündet den Split der Band. In den folgenden Jahren veröffentlicht Anderson vier Solo-Alben und versucht 2005 vergeblich, mit seinem alten kongenialen Songwriting-Partner Butler unter dem Namen "The Tears" die Magie vergangener Tage herauf zu beschwören.
Überraschend melden sich Suede 2010 mit Auftritten im Londoner Club S 100 und der Royal Albert Hall zurück. Butler, der mittlerweile als Produzent für Duffy, Kate Nash oder Tricky tätig ist, bleibt bei dieser Reunion außen vor. Weitere Konzerte folgen, doch auf neues Material müssen die Fans noch lange warten.
Erst Anfang 2013 kündigt der Freedownload von "Barriers" das Comebackalbum "Bloodsports" an, mit dem es gelingt, die angekratzte Reputation der Band zu reparieren und sich von "A New Morning" zu erholen. Nun endlich wieder auf festen Beinen stehend und vor Selbstvertrauen strotzend wagen sich Suede dann an ein weitaus ambitionierteres Projekt als ein einfacheres weiteres Album.
Zu "Night Thoughts" erscheint bereits 2015 ein Film von Roger Sargent. Der Longplayer folgt im Januar 2016. Auf der darauf folgenden Tour teilt die Band die Abende in zwei Teile: In der ersten spielen sie, vom Film begleitet, "Night Thoughts" am Stück. In der zweiten folgen ihre größten Hits.
"Es ist ein großartiges Gefühl, wieder mit der alten Band unterwegs zu sein", erklärt Anderson dem Rolling Stone. "Auf erstaunliche Weise fühlt es sich sehr gegenwärtig an. Es geht dabei nämlich keineswegs um Nostalgie. Die ganze Sache ist wahnsinnig aufregend. Es ist ja so: Wir haben großartige Songs, und großartige Songs erkennt man vor allem daran, dass sie zeitlos sind. Ich liebe diese Band und ihre Musik und bin sehr stolz auf das, was wir damals geschaffen haben."
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