laut.de-Kritik
Unvergleichlich einmalig und betörend schön.
Review von Kai KoppDass weniger oftmals mehr ist, ist zwar hinlänglich bekannt, wird aber häufig unterschätzt! Susi Hyldgaard, als Mensch gewordene Vertreterin dieser Weisheit, verbraucht auch auf "Magic Words" keine Note zuviel, um ohne Umschweife zum Kern ihrer Songs vorzudringen. Sowohl die Instrumentierung, als auch die Arrangements und die Musiker und Musikerinnen verschwenden ihre Aufmerksamkeit nicht an Unnützes.
Das wird bereits im Opener "Slow Hot Wind" (Henry Mancini) deutlich, in dem die behutsame Tonsetzerin kurzer Hand das Harmonieinstrument durch zwei Posaunen ersetzt. "Teach Me Tonight" glänzt durch die Reduktion auf Bass und Stimme. "Love For Sale" (Cole Porter) trumpft mit treibendem Rhythmus auf und führt das Klavier ein, das im balladesken "In The Wee Small Hours" (Frank Sinatra) eine tragende Funktion einnimmt. Der Song begnügt sich mit einzelnen Klaviernoten, Rückwärts-Loops, Bass und Stimme, um das Gleichgewicht zwischen Rhythmus, Harmonie und Melodie perfekt auszutarieren. Das Low-Fi-trashige Drum liefert mit seiner gekonnt produzierten Kaputtheit das Fundament. "In The Wee Small Hours" ist, wie das gesamte Album, aufwändig, unkonventionell und mit einem Arsch voller exzellenter Ideen produziert. Dazu gehören auch die Sprachfetzen, die am Ende noch mal eben über den Song herein purzeln.
Mit afrikanischem Fingerklavier, reduzierter Perkussion und einigen Klangmalereien gehört "Kemo Kimo" (ein Traditional) zu den Ausnahmeerscheinungen im Standardrepertoire. "Das Problem war, all den guten Real Book-Interpretationen etwas neues hinzuzufügen", gibt Hyldgaard unverhohlen zu und verheimlicht höflich, dass es ihr bestens gelingt.
"Moondance" (Van Morrison) groovt über so etwas wie einen Swing-Beat, wobei dieser - wie kann es anders sein - alles andere als herkömmlich ist. Sie schafft es, sogar den guten alten Swing aufs Wesentliche zurechtzustutzen. In dieses dezente Swing-Horn bläst auch der Mungo Jerry-Gassenhauer "In The Summertime", der mit gestopfter Trompete, Gute-Laune-Groove und witzig-kreativem Ideenfluss beschwingt.
Was für eine feine filigrane Besetzung, in der "Je Vivrais Sans Toi" (Michel Legrand) auf den Champs-Elysées abbiegt. Akkordeon, ein paar Klavierspritzer, Synthesizer im besten Wesseltoft/Endresen-Style, etwas Bassähnliches - fertig ist das intime Chanson-Etwas. "Les Parapluies Des Cherbourg" (Michel Legrand) knüpft an diese Stimmung an und führt den Gaststar der Produktion, Aldo Romano, ein. Romano, der einst zur europäischen Free-Jazz-Avantgarde zählte und mit Bill Evans, Keith Jarrett, Michel Petrucciani und Don Cherry die Bühne teilte, bezeichnet sich heute als singenden Musiker.
Das bassige Timbre des in Paris lebenden (Ex-)Schlagzeugers erzeugt einen original Seine-Flair, seine stimmlichen Qualitäten sind brillant. Das beweist nicht nur "Les Parapluies Des Cherbourg", sondern auch der Closing-Track "Baby, It's Cold Outside". Der Bing Crosby-Evergreen haut mit vollem Big-Band-Gebläse und heiter-abwechslungsreichem Arrangement so richtig auf die Broadway-Pauke. Das kontrastiert den ansonsten vorherrschenden intimen und sinnlichen Charakter der Platte exzellent.
"Magic Words" ist Jazz, ist Pop, ist Ambient, ist Elektro-Avantgarde und ist nichts von alledem. Susi Hyldgaard ist einfach Susi Hyldgaard. Unvergleichlich einmalig und betörend schön. Oder wie Zeit-Redakteur Konrad Heidkamp es formuliert: "Ihre Stimme besitzt die hohe Bestimmtheit einer Joni Mitchell, den leichten Irrsinn einer Björk und die Beweglichkeit einer Kate Bush".
4 Kommentare, davon 3 auf Unterseiten
jedes Wort gehört hier unterschrieben
Grossartige Scheibe, und ein weiterer Beweis dafür, dass im gesungenen Jazz momentan nicht etwa in den Staaten sondern in Skandinavien am meisten geht.