laut.de-Biographie
Team Avantgarde
Im Jahr 2001 platziert Kool Savas mit seiner Plattenpapzt-Collabo "King Of Rap" die Hauptstadt mit einem mächtigen Schlag auf der Raplandkarte. Während sich die Wortartisten Berlins langsam in verschiedene Lagern gruppieren, beschließen in Schöneberg drei Hip Hop-Aktivisten, es mit Experimentalrap statt mit Battlestandards zu versuchen.
Phase, der vornehmlich textende Bestandteil des Trios, und Nessin aka Nash musizieren schon lange miteinander, Zenit stößt als Großmeister der hohen Kunst des Sampling dazu. Die Cryptonasen sind geboren.
Obwohl es Nash bald nach Boston zieht, wo er, von diversen Jazz-Bassisten inspiriert, Kontrabass studiert, veröffentlichen die Cryptonasen zwei Alben, die in der Szene aber nur geringe Beachtung finden. Noch ist Berlin nicht reif für abstrakte Texte, es gibt kaum eine Zielgruppe für Conscious-Inhalte.
Zenit macht sich 2005 trotzdem mit einem Sampler voller Remixe einen Namen. Außer eigenen Stücken jagt er auch Justus von M.O.R., Delta3st und die Royalbunker-Rapper Gris und Meyah Don durch den Mixer - Brüder im Geiste des abstrakten Raps.
So wundert es wenig, dass die rapmusikalischen Grenzgänger sich zur eigenen schlagkräftigen Truppe formieren. Dem Ruf Edit Entertainments folgen Gris, Estess, Meyah Don und Boba Fettt, auch wenn letzterer nach einem kurzen Gastspiel zu Prinz Pi und No Peanuts wechselt, hinterlassen sie beim Bunker thematisches Brachland.
Im gleichen Jahr gibt es das erste Lebenszeichen von Team Avantgarde, wie sich Phase und Zenit als klassisches MC/DJ-Gespann nennen. "Reine Nervensache" wirft die Frage auf, wer von beiden der Psychiater und wer der Mafiosi ist. Neben B. Digger ist einmal mehr Ökorapper Meyah Don geladen.
Im März 2006 streckt Zenit seine Fühler auf der Suche nach aufmotzbaren Tracks etwas weiter aus. "Remixes Vol. 2" interpretiert außer den üblichen Verdächtigen auch Prinz Pi, M.O.R., Fumanschu, She-Raw und Vokalmatador neu.
Um seinen Ruf als avantgardistischer Musik-Nerd noch weiter auszubauen, schiebt er im Januar 2007 mit "Natur & Industrie" ein elf Tracks starkes, vollständig auf Samples beruhendes Instrumentalalbum nach.
Ein halbes Jahr später erscheint mit "Absolut" das zweite Album des Duos, zu dem auch der alte Partner Nash zwei Interludes beisteuert. Weitere Featureparts liefern Justus, Gris, Amewu und Boba Fettt.
Geschickte Propaganda streute Zenit bereits im Vorfeld der Veröffentlichung unters Volk: Konstenlose Remixes von J.A.W. erfüllen ihren Zweck, ebenso wie die YouTube-Dokumentation eines Komplett-Remixes in nur 90 Minuten. Geschickt wählen sie mit K.I.Z. (deren "Wir Werden Jetzt Stars" er verwurstet) eine Crew aus, die erst kurz vorher den Schritt zum Major-Vertriebsdeal mit Universal geschafft hat.
In deren Fahrwasser in den Mainstream? Nö, da wollen Team Avantgarde ja gar nicht hin. 2010 legen sie noch ein Album namens "Paradox" nach. Anschließend wird es still um Phase und Zenit.
Zwar lernt Phase schon zu dieser Zeit DJ s.R. aus dem 58Muzik-Umfeld kennen, bereits 2013 lädt er ihn ein, das Team Avantgarde zu verstärken. Greifbare Früchte trägt diese neue Konstellation aber erst 2016.
Auf "Erwartungen" gehen sämtliche Beats auf DJ s.R.s Konto. Zenit wirft diesmal lediglich ein wachsames Auge auf die Produktionen. Dafür lässt - neben den üblichen Featuregästen von Amewu über Gris und Justus bis zu Meyah Don - auch wieder der alte Mitstreiter Nessin von sich hören: Er liefert stimmungsvolle Kontrabass-Klänge.
Von überzogenen Ansprüchen hat sich Phase inzwischen befreit, erklärt er im Interview mit ALL GOOD: "Ich habe immer nur geguckt, was ich noch schaffen und erledigen muss. Ich wurde wirklich von den Erwartungen erdrückt, ganz egal ob die jetzt von außen oder von mir selbst an mich herangetragen wurden. Es gab dann ein Erlebnis in meinem Leben, das mich total aus der Bahn geworfen hat. Ab dem Zeitpunkt habe ich gesagt: Ich schmeiße all diese Bilder von mir einfach über Bord und fange noch mal ganz von vorne an."
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