laut.de-Kritik
Derek Trucks Spielkunst ist Fluch und Segen zugleich.
Review von Kai ButterweckDerek Trucks' Talent, der Slide-Gitarre Töne zu entlocken, bei denen selbst so gestandene Größen wie Popa Chubby oder Eric Clapton applaudieren, ist für den blonden Kalifornier Fluch und Segen zugleich. Während die virtuosen Fingerspielereien des begnadeten Protagonisten jeden Sechssaiter-Liebhaber in Staunen versetzen, gerät die restliche Instrumentierung oftmals in den Hintergrund.
Da hilft es auch nicht, eine ganze Fußballmannschaft von nicht minder talentierten Kollegen um sich zu scharen, um seiner Spielpräsenz einen angemessenen Gegenpol an die Seite zu stellen. Selbst die soulig-kratzige Stimme seiner Ehefrau Susan Tedeschi, die auf "Revelator" das Gesangsruder in die Hand nimmt, bietet den zwölf Songs nur selten ein stimmiges und homogenes Fundament. Zu sehr dominiert der Solist in Gestalt ihres Ehemanns, der die Aufmerksamkeit mit jedem Finger-Picking auf seiner Vintage-SG an sich reißt und kaum Raum lässt für den Rest der Mannschaft.
Das ungleiche Verhältnis entsteht aber keineswegs aufgrund narzisstischer oder gar selbstdarstellerischer Motive seitens Derek Trucks. Der bescheidene Gitarrist leidet weder unter Profilneurosen, Star-Allüren oder sonstigen "ohne – mich – geht – hier – gar - nichts" - Attitüden. Vielmehr kann er einfach nicht anders. Wenn er anfängt zu spielen verstummt der Rest, und sei er musikalisch noch so qualitativ hochwertig wie im Fall seiner zehn Kompagnons auf "Revelator".
Infolgedessen entwickelt sich der Delta-Funk-Blues -Mix der Tedeschi Trucks Band zu einem ungleichen Kampf zehn gegen eins auf allerhöchstem musikalischem Niveau, bei dem Derek Trucks nach einer Stunde ungewollt den Platz sowohl als Sieger, als auch als Verlierer verlässt.
Denn so einheitlich sich die elf Freunde auf dem Cover positionieren, so einseitig präsentiert sich der Inhalt. Nur ganz selten übernimmt der Background in Form von Bläsern, einer Hammond-Orgel, tighten Drums und der Stimme von Susan Tedeschi das Zepter in die Hand und bietet wie auf "Come See About Me" oder "Love Has Something Else To Say" ein in sich stimmiges Paket aus Funk, Blues und Rock.
Der Jam bestimmt zu oft die Richtung und hinterlässt dabei Songs wie "Don't Let Me Slide", "These Walls" oder auch das Instrumental "Shrimp And Grits", die zwar vehement gegen den drohenden Anflug von Langeweile ankämpfen, aber sich letztlich aufgrund mangelnder Innovation und Intensität geschlagen geben müssen.
Am Ende kommt schon fast ein wenig Mitleid auf, denn es fehlt bei der Tedeschi Trucks Band keineswegs an qualifiziertem Personal, vielmehr mangelt es an der Fähigkeit, alle Hochkaräter innerhalb der Band so unter einen Hut zu bringen, dass ein kollektives Gleichgewicht entsteht.
Branchenkollegen wie Eric Clapton, Gary Moore oder auch Popa Chubby haben im Laufe ihrer langen Karrieren gelernt, ihren unvergleichlichen Dienst in die Mannschaft zu stellen. Derek Trucks steht dieser Lernprozess noch bevor.
1 Kommentar
Hab die CD trotz der Rezension gekauft. Für mich ist sie die beste CD der letzten fünf Jahre.
Warum? Das ist doch ganz einfache Musik? Blues - Rock mit Einflüssen aus Funk und Country...
Die zwei musikalischen Köpfe der Tedeschi Trucks Band:
Susan Tedeschi ist die Leadsängerin der Band. Sie hat eine großartige kraftvolle Stimme, die manchmal an Bonnie Raitt erinnert, nur rauchiger und mit sehr viel Energie.
Derek Trucks ist ein Gitarrenvirtuose, noch gar nicht so alt, der vom Rolling Stone schon zweimal unter die besten 100 Gitarristen aller Zeiten eingestuft wurde.
Die beiden hatten jeweils eine eigene Band, aber nachdem sie geheiratet hatten, haben sie 2011 beschlossen, ihre beiden Gruppen zusammen zu legen, um mehr Zeit miteinander verbringen zu können.
Romantisch, nicht?
Die Band, die mit ihnen spielt: Eine Supergroup, die aus neun wirklich großen Musikern besteht; zwei Schlagzeuger, insgesamt sind bis zu vier Gitarren on stage, eine präzis spielende Bläser Section aus Sax, Trompete und Posaune, ein super Keyborder... anscheinend wurde niemand entlassen.
Und jetzt kommt das Besondere: so viele gute Musiker... und trotzdem hört sich das Ganze irgendwie sanft und gefühlvoll an. Niemals wird man vom Sound erschlagen, es gibt keine Egotrips der Instrumentalisten, das ganze ist Harmonie pur, weil alle sich der Musik unterordnen, den Songs.
Wie in jedem guten Team hat jeder seinen Platz und seine Aufgabe. Natürlich steht Susan Tedeschi als Sängerin immer im Vordergrund, und Derek Trucks ist für Gitarren - Licks, Soli und -fills zuständig, weil er eben so einzigartig gut spielt. Aber er ist kein Machogitarrist, sein Spiel ist höchst sensibel, und kein einziger Ton, den er spielt, hat den Sinn, zu zeigen, was für ein guter Gitarrist er ist. Alles ordnet sich den Emotionen der Songs unter.
Und daneben diese Band... Einfache Musik, ja, aber nicht einfach gespielt. Die zwei Schlagzeuge machen manchmal einen Rhythmusteppich, der an die Rhythm Section von Little Feat erinnert, der Bass spielt unauffällige Läufe und manchmal sogar Akkorde, und dann die Bläser, hin und wieder nur ganz leise im Hintergrund... Man hört immer wieder Neues.
Das ganze auch noch perfekt gemischt, was ja nicht so einfach ist bei so vielen Instrumenten...
Macht süchtig!
Love and Peace