laut.de-Kritik
Für sozialdemokratische, anglophile 40-somethings.
Review von Rainer Henze"You're the one that I want. Uh uh uh." Ja, genau, die Travolta-Newton-John-Schmonzette aus dem schmierigen Musical. So empfängt uns Paul Heaton auf "Golddiggas, Headnodders & Pholk Songs", dem elften Album seines Beautiful South. Der olle Housemartin hatte schon immer ein Faible für furchteinflößende Coverversionen. Ich sag' nur (und zart besaitete Gemüter sollten jetzt lieber weglesen): "Every woman, every man, join the caravan of love". Gruselig, nicht wahr? Und einigermaßen subversiv.
Die mutwillig herbeigeführte Weihnachts-Nr. 1 diente seinerzeit dazu, die Aufmerksamkeit der Massen auf das musikalisch ungleich interessantere und inhaltlich politischere, sonstige Material der noch relativ unbekannten Housemartins zu lenken. Heute sind The Beautiful South die kommerziell erfolgreichste britische Band der Neunziger. Was also, mag man sich fragen, ist der Punkt für ein Album voller Coverversionen? Der schnöde Mammon dient wohl kaum als Motivation, das unterscheidet dieses Album angenehm von so vielen anderen, die zur Zeit danach streben, mit Nachgeträllertem eine schnelle Mark zu verdienen und dabei Covern mit Karaoke verwechseln. Nein, hier ist pure Lust zu spüren, am Neuentdecken und Uminterpretieren. Und dazu eine ordentliche Prise nordenglischer Humor.
Schließlich, und das sei in dieser Zeit popkulturellen 'Anything Goes' ausdrücklich erläutert, entstammt Heaton einer Generation, die noch strenge Grenzen kannte zwischen Gut und Böse, zwischen Indie-Rock auf der einen und Mainstream-Rock und Pop auf der anderen Seite (und natürlich auch dieser teuflischen Disco-, später Techno-Musik - aber das ist eine andere Geschichte). Wenn nun also Heaton ELO covert, und S Club 7, dann ist das in etwa so als sänge Herbert Grönemeyer Lieder von, sagen wir, Modern Talking. Und Bro'Sis. Schon ein starkes Stück.
The Beautiful South übersetzen die Songs in ihren typisch-ironischen 90er-Jahre Folk-Pop Duett-Trademark-Sound, der mich (weiß auch nicht warum) immer an blümchendekorierte Englishpub-Sitzpolsterbezüge denken lässt. Beim bereits erwähnten "You're The One That I Want", der Single-Auskopplung "Livin' Thing" und auch mit "Don't Fear The Reaper" (im Latin-Salsa-Style) gelingt das ganz prächtig. Mit dem Ramones-Klassiker "Blitzkrieg Bop" eher nicht. Auch "Don't Stop Moving" wird dank Heatons Umdeutung nur unmerklich besser. Und den Witz mit den Heppelbaums ("This Old Skin") muss mir erst noch jemand erklären. Doch nicht nur Humor, auch Geschmäcklertum beweisen Heaton und Kollegen, erweisen Willie Nelson ("Valentine"), Rufus Wainwright ("Rebel Prince") und sogar den Frühneunziger Shoegazing-Sternschnuppen Lush ("Ciao!") die Ehre und bleiben in diesen Fällen stets nah am Original. Schöne, erinnerungsreiche Musik für anglophile, sozialdemokratische 40-somethings.
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