laut.de-Kritik
17 clevere Arrangements von den Meistern der melodisch-zynischen Unterhaltung.
Review von Gurly SchmidtWenn eine Plattenfirma zwei Tracks bei der Pressung vergisst und das erst merkt, wenn die Scheibe schon in den Läden zu kaufen ist, dann ist das ein starkes Stück. So geschehen auf der 19-Tracks umfassenden englischen Ausgabe von "Painting It Red", dem neuesten Werk der englischen Meisterband der melodisch-zynischen Unterhaltung The Beautiful South. Die fehlenden Tracks auf der Insel-Ausgabe werden inzwischen nachgeliefert - der Rest der Welt, so auch wir, muss sich derweil mit "nur" 17 Tracks begnügen - und da fehlt keiner, keine Angst.
17 Songs, die es mal wieder in sich haben, zwei Jahre nach dem Vorgängeralbum Quench, deren Entstehung aber schon in die Endphase der damaligen Quench-Tour zurückgeht, als Paul Heaton auf Sardinien Ruhe und Stimmgenesung suchte - und fand. Dort entstand auch "The Mediterranean", ein Song, der die Heilkräfte des Anblicks des Mittelmeers in eindrucksvoller Weise zu vermitteln vermag. Der damals alkoholkranke Heaton verewigt diesen Zeitpunkt einer Wende in seinem Leben: "Das Mittelmeer sieht heute Abend wie Aspirin aus..." singt Hemingway, "meine ausgesuchte Droge heute abend ist das verlässliche Mittelmeer...".
Die Kompositionen der 17 großartigen Songs sind lieblich, aber niemals - kein einziges Mal - überschreiten sie die Grenze zur Flachheit. Clevere Arrangements, Harmonie- und Taktwechsel, hier ein Cembalo, da eine Mundharmonika. Ja, das Klavier und die akustische Gitarre stehen prominent vorne, aber hintenrum mogeln sich Synthies mit hinein, oder freche Drumbreaks ("Half-Hearted Get..."), die vorlaut und unerwartet aus dem Hintergrund das gesamte Lied in Beschlag nehmen, die Spannung bis zur Unerträglichkeit forcieren und somit einen außergewöhnlichen musikalischen Genuss bieten.
Die Stimmen von Paul Heaton, Jacqueline Abbott und Dave Hemingway ähneln sich erstaunlich, dennoch gelingt es der Band, sie spielerisch sowohl mit- als auch gegeneinander zu arrangieren. Kraft- und gefühlvoll, ja leidenschaftlich verleihen sie der Musik einen wunderbaren letzten Glanz.
Wie auch bei ihren letzten Alben bleiben die Texte bissig, tiefsinnig und schwarzhumorig. Die Perfektion der Kombination von musikalischer Süße und inhaltlichem Kein-Blatt-vor-den-Mund-Nehmen ("... kein Mitleid mit den Schwänzen!" - "Masculine Eclipse") ist, was The Beautiful South so einzigartig macht.
Die Krone setzt dem Ganzen "You Can Call Me Leisure" auf: Ein kleines simples Klavier-Thema zieht sich durch den Song, gespielt mit den oberen Tasten, die bei den meisten Klavieren eigentlich immer verstimmt sind, wird im Mittelteil des Stücks ein klein wenig variiert und erzeugt so eine nie geahnte musikalische Leichtigkeit - selbstverständlich im Gegensatz zum thematischen Tenor des Stücks, dem "schönen Tod".
Erneut eine Platte der Housemartins-Überbleibsel, die es schaffen wird, kompromisslos eine ganze Menge unterschiedlichster Menschen zu begeistern.
Noch keine Kommentare