laut.de-Kritik

Wie Westworld - nur mit schlechteren Effekten.

Review von

Die aktuelle Erfolgsserie "Westworld" entwirft eine Western-Welt, die eigentlich keine ist. Die Protagonisten sind Roboter, das Szenario eine Art klischeebeladene Geisterbahn, die an offen stehenden Gucklöchern aber immer auch den Blick hinter die Kulissen erlaubt. Wenn man so will, sind The BossHoss das "Westworld" der deutschen Rockszene – nur ohne Killerroboter und mit schlechteren Effekten. Spürbar wird das schon im Intro zu "A Cowboys Work Is Never Done", wenn da eine jaulende Sirene heult, die uns natürlich an Ennio Morricones ikonisches "Spiel Mir Das Lied Vom Tod"-Theme erinnern soll, aber eben doch eher nach Movie Park Bottrop klingt – zumindest bis die breitbeinigen Gitarren losfetzen.

Als The BossHoss vor einigen Jahren mit ihren Country-Versionen von Pophits den deutschen Musikmarkt stürmten, da war das schon irgendwie witzig. Zehn Jahre später aber wurde der immer gleiche Witz hunderttausende Male wiederholt und das Lachen bleibt einem zunehmend im Halse stecken. Die TV-Präsenz der beiden Chef-Cowboys Alex Völkel und Sascha Vollmer in "Sing Meinen Song" und "The Voice Of Germany" hat das gesamte Konzept massiv übersäuert und überstrapaziert. Es ist ein wenig wie mit dem Weihnachtsmann: Sobald du realisierst, dass hinter dem weißen Bart ein echter Mensch steckt, ist der Zauber verflogen. Ersetze nun "Weißer Bart" durch "Cowboyhut" und "echter Mensch" durch "inselbegabte Mucker". Im Übrigen stehe ich mit dieser Anschauung wohl recht alleine da: Über 200.000 Menschen haben sich das letzte BossHoss-Album "Dos Bros" gekauft und mit Platin überzogen.

Apropos Weihnachtsmann: Passend zur anstehenden Geschenkezeit dachten sich die Cowboys, dass es doch keine schlechte Idee wäre, ebenjene 200.000 Menschen und auch deren Country-Freunde mit weiterem "Dos Bros"-Stoff zu füttern. Dementsprechend steht jetzt eine Deluxe-Version des Erfolgs-Albums und natürlich auch eine Live-Scheibe in den Regalen. Schade, dass sich Gähnen in Texten kaum unpeinlich präsentieren lässt, deshalb die direkte Variante: Dieses vollkommen absurde und meist lieblose Ausschlachten und Abmelken von ausgelaugten Musikkühen geht einfach auf den Sack. Wo ist eure Liebe zum Spiel?

Zehn der insgesamt 13 Live-Songs wurden in Leipzig aufgenommen, dazu gesellen sich zwei Aufnahmen aus Oberhausen und eine aus Hamburg – das lässt den Schluss zu, dass die entsprechenden Versionen in Leipzig wohl nicht ganz zu überzeugen wussten. Geschenkt! Die Playlist wird dominiert von "Dos Bros"-Material, zudem gibt es aber auch einige versprengte bandinterne Klassiker wie "Don't Gimme That" oder "Shake And Shout". Die letzteren beiden Songs werden durch massiven Einsatz von Bläsern aufgewertet, darüber hinaus drängen sich die beiden Bandgesichter im üblichen Elvis-Imitatoren-Flow nach vorne und nerven zwischen den Songs massiv mit den üblichen Konzertplattitüden wie "Make some noise!" oder "Seid ihr da?".

Ansonsten greift das übliche BossHoss-Erfolgsrezept mit countryesken Rockriffs und zweistimmigen Karl-May-Festspiele-Gesang. Und ja: Das läuft schon alles ganz tiptop wie eine gut geölte Dampfmaschine. Zum Abschluss von "Shake And Shout", und damit auch der ganzen Platte, gibts noch einen Überraschungsgast: Samy Deluxe. Der spittet super souverän über den mehrlagigen Soundteppich und sorgt hier für einen wirklichen Höhepunkt der Scheibe. Trotzdem bin ich es meinem 16-jährigen Ich schuldig, dass ich im Anschluss meine Ohren mit "Weck mich auf" freispüle.

Zudem gibt es einige ganz kurzweilige Rockabilly-Sequenzen, die schon irgendwie Bock machen. Am besten sind BossHoss immer dann, wenn nicht gesungen wird und der wilden Mischung aus Ska, Country und Rock'n'Roll ein wenig Luft zum atmen bleibt. Die Band besitzt einige sackstarke Ausnahmekönner des Genres (allen voran die beiden Multiinstrumentalisten Malcolm 'Hank Williamson' Arison und Tobias 'Ernesto Escobar de Tijuana' Fischer), die es ordentlich scheppern lassen. Das klappt besonders ansprechend auf dem schmissigen "Wait For Me", dem sehnsüchtigen und angenehm unaufgeblasenen "What If" und dem abwechslungsreichen "I Like It Like That".

An dieser Stelle möchte ich gar nicht absprechen, dass extrem viele Leute extremen Spaß auf BossHoss-Konzerten haben, die aufgrund ihrer Konzeption ja auch immer etwas von Musical oder einer Karnevalsveranstaltung haben. BossHoss, das darf man nicht vergessen, machen Konzeptrock, das Gesamterlebnis steht im Vordergrund. Und: BossHoss sind in Sachen Unterhaltung und innerhalb ihrer Parameter eine richtig gute Liveband! Alles cool! Auf dieser Platte kommt von selbigen Spirit aber so gut wie nichts rüber (die vorliegende Rezension bezieht sich einzig und allein auf die Audioversion). Teilweise sind die Songs fürchterlich abgemischt, vor allem der Gesang wirkt immer wieder zu dominant, viele Stücke versanden im Soundmatsch. Im unmittelbaren, mit Bier übergossenen Liverlebnis spielt das selbstredend keine Rolle – zu Hause vor der Anlage aber eben schon.

Besonders viel bleibt dann eigentlich nicht mehr zu sagen, einfach weil es auf dieser Scheibe so gut wie nichts zu entdecken gibt. Sprechen wir das Offensichtliche aus: "Dos Bros Live" ist nur ein potentieller Erfolgsmitschnitt einer Erfolgstour, gestempelt mit dem Erfolgstitel einer Erfolgsband. Der Mehrwert ist gleich Null. Niente. Nada. Mit ein wenig mehr Mühe hätte das Teil eine runde Angelegenheit werden können. Die 13 präsentierten Songs aber spiegeln indes nicht einmal ein komplettes Konzert wieder und wirken insgesamt recht willkürlich zusammengewürfelt. Ergänzt durch den teils mäßigen Sound und garniert von den extrem generischen 0815-Ansagen setzt sich ein wirklich liebloses Gesamtbild zusammen.

Trackliste

  1. 1. A Cowboys Work Is Never Done
  2. 2. Wait For Me
  3. 3. Do It
  4. 4. I Like It Like That
  5. 5. She Is A Little B
  6. 6. My Personal Song
  7. 7. What If
  8. 8. Jolene
  9. 9. Today Tomorrow Too Long Too Late
  10. 10. Dos Bros
  11. 11. Don't Gimme That
  12. 12. Lady JD
  13. 13. Shake And Shout

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