laut.de-Kritik
The Hit (Boy) is on.
Review von Stefan JohannesbergEines Abends, irgendwo in einem Teil von L.A., sitzen Hit-Boy und sein Papa Big Hit im Studio und arbeiten an Songs. Da klingelt es plötzlich und The Game steht vor der Tür. Der Rapper und Hit-Boy kennen sich, produzierte Letzterer doch ein paar Beats von "Drillmatic". Mal sehen, denkt sich der angesagte Beatbastler und Nas-Refresher, vielleicht droppt Game als Gastartist ja ein paar Reime für unser kleiner Vater-Sohn-Projekt. Doch Hit-Boy irrt. Am Ende der Nacht ist nicht nur das gemeinsame Neun-Track-Album des Trios "Paisley Dreams" im Kasten, sondern auch The Games tightestes offizielles Werk seit "Jesus Piece" aus dem Jahre 2012.
Wir erinnern uns. Wann war The Game noch mal stärksten? Immer dann, wenn sich straighte Kopfnicker mit melancholischen Synthies vereinen und über allem ein funkiger Compton-Vibe weht. Dann konnte der Blood Rapper mit kräftiger Stimme lässig seine Names droppen, braggen and boasten, den Bogen von Bandanas zu B-Girls spannen. "Doctors Advocate" oder die Mixtape-Bomben "The Redroom", "Brake Lights" und "Purp & Patron" bangen auch noch ein Jahrzehnt später wie Schillers Glocke - und "Paisley Dreams" setzt genau dort an.
"New York bars on a Compton nigga", rappt The Game im Opener "Backfade", während der Beat genau dies spiegelt: G-Funk mit Boom Bap Bounce. Trotz allem tough talk zeigte sich Game seit jeher auch offen und verletzlich. "Father first, real nigga second" oder "Born with no direction, so I carved out my section" vom Titeltrack "Paisley Dreams" zeigen ihn wieder auf dem lyrischen Zenit. Passend dazu zieht sich Hit-Boy "There's Nothing in This World That Can Stop Me From Loving You" als Sample wie einst Just Blaze und Kanye für "Girls, Girls, Girls" von Jay-Z introvertiertem Meisterwerk "The Blueprint".
Der "Bang Freestyle" könnte direkt von "Doctors Advocate" stammen. Rap-Kollege Big Hit ist zwar kein Lyricist, aber als Co-Pilot und Wingmen funktioniert sein kehliger, aggressiver Style ganz gut. "P Fiction" spielt den melancholischen Funker, während "Cutthroat" mit dichtem, laid back pumpenden 90er Soul direkt vom Doktor stammen könnte. "The Game Wont Stop" nickt mit dem Kopf auf den Straßen des Big Apple, tiefe Bässe und eine zwingende Snare umrahmen "Crisis" und den wie immer gelungenen Auftritt von Dom Kennedy. "Happy Ru Year" kommt als klassischer G-Funk aus den späteren 2010ern, wie ihn YG oft diggte. Nur das verschachtelte "Body For Body" fällt etwas ab.
Trotzdem gilt: The Hit (Boy) is on. Erst Nas in hohem Alter endgültig auf den Thron setzen, dann ein unfassbar gutes, unbeachtetes Solowerk droppen ("Surf Or Drown") veröffentlichen und nun dem bereits im Mittelmaß des Lebens versinkenden Game neues Leben einhauchen. Hit-Boy beweist, dass es nicht nur stabiler Arbeit an der MPC, dem Laptop, der 808 oder was auch immer bedarf, um als Beatbastler gute Songs zu kreieren. Es müssen nur die richtigen Beats zur richtigen Zeit für die/den richtigen KünstlerIn sein.
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