laut.de-Kritik
Kerzen anzünden und Vorhänge zu ziehen.
Review von Daniel StraubJohn Darnielle behält 2003 seinen kreativen Output wieder auf konstant hohem Niveau: Nach einem beispiellosen Veröffentlichungsmarathon im vergangenen Jahr, in welchem neben dem Album "All Hail West Texas" auch die ersten beiden Compilations "Protein Source Of The Future...Now!" und "Bitter Melon Farm" das Licht der Welt erblickten, gibt es nun "Tallahassee" von den Mountain Goats.
Mit vierzehn Melancholie-getränkten Tracks bleibt einem bei all dem närrischen Treiben in diesen Tagen wenigstens ein kleines Rückzugsgebiet. Wer bei "Tallahassee" aber zu allererst an Florida, weiße Sandstrände und exotische Cocktails denkt, der sollte schnell die Vorhänge zu ziehen, ein paar Kerzen anzünden und versuchen, auf andere Gedanken zu kommen.
Überhaupt nimmt sich John Darnielle beinahe wie ein Fossil im heutigen Musik-Biz aus, denn mit gutem Songwriting lässt sich heute nicht unbedingt Geld verdienen. Doch darum ging es Darnielle nicht, als er The Mountain Goats 1991 in Kalifornien gründete und auch "Tallahassee" wird keine Millionen von Dollar auf sein Konto spülen. Spärlich, zumeist nur mit einer akustischen Gitarre instrumentiert, verfolgen The Mountain Goats eine beinahe puritanische Ästhetik, getreu dem Motto "Weniger ist mehr".
Danielles nasaler Gesang trägt die Songs und erinnert in seinen besten Passagen wie bei "First Few Desperate Hours" und "No Childern" gar an den jungen Lou Reed auf frühen Velvet Underground-Demos. Hier wird die ansonsten einfache Instrumentierung durch Pianoparts aufgelockert, was den Songs gut zu Gesicht steht.
Bei "See America Right" durchfährt es einen gar wie ein Blitz. Munter rocken The Mountain Goats hier auf einmal drauf los, als hätten sie nie etwas anderes gemacht. Das wirkt bei der ansonsten üppig ausgelebten melancholischen Seite des Lebens überaus erfrischend, ja, macht "See America Right" gar zum besten Track des Albums. Nicht, dass hier auf einmal der Frohsinn regieren würde, aber ein bisschen Schmiss kann manchmal Wunder bewirken.
Über die volle Länge klingen die Songs auf "Tallahassee" jedoch zu austauschbar, bleiben nicht haften. Dafür fehlt es Darnielle an stimmlicher Brillanz. Nasale Monotonie trägt eben nicht die Songs eines ganzen Albums, wenn die sparsame Instrumentierung der Stimme einen solch wichtigen Part im Arrangement zuweist.
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