laut.de-Kritik
Tolle B-Seiten-Kollektion inklusive DVD.
Review von Philipp SchiedelÜber zehn Jahre ist es nun schon her, seit Dirk von Lowtzow das erste Mal "Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein" zum Besten gab. Eine Aussage, die der damalige Jura-Student wohl nie so ernst gemeint hat wie diejenigen, die ungefähr zwei Jahre später vor ihm in der ersten Reihe standen. In zehn Jahren ist es ihm nicht nur, wenn auch etwas unabsichtlich, geglückt, ein Teil einer Jugendbewegung zu werden. Nein, er wurde sogar zu so etwas wie dem Gott der deutschen Indie-Jugend ernannt.
Mit seinen zwei Kommilitonen (Jan Müller, übrigens auch abgebrochener Jurist, und Arne Zank, Illustration) erschuf er die Trainingsjacken zur Uniform und später zum H&M-Sonderangebot, bevor er sie dann glücklicherweise doch wieder in den Schrank mit Muttis und Pappis Jugend-Klamotten zurückschloss.
Zum Zehnjährigen veröffentlicht ihr angestammtes Label L'Age D'Or jetzt einen günstigen Doppel-Pack bestehend aus einer DVD, auf der alle Videos und diverse Tour-Specials zu sehen sind, und einer noch tolleren B-Seiten-Kompilation. Auf der bieten Tocotronic ihre komplette Bandbreite vom hingerotztem Punkrock aus den jüngeren Tagen bis hin zum ausgefuchsten Intelligenz-Pop ihrer letzten Veröffentlichungen.
Freunde der ersten drei Alben dürften am meisten auf ihre Kosten kommen. Klassiker der B-Seiten-Liga wie das Huah!-Cover "Die 10-Uhr-Show" sind so angenehm lustlos runtergenudelt, dass einem das alte Slacker-Herz mal wieder so richtig aufgeht. Wer noch nicht alle Singles der Band kennt, kann Tocotronic noch mal genau so frisch wie 1996 erleben.
So, als hätte man die gleiche Cord-Hose und das gleiche grelle T-Shirt an. So, als würden alle Coolen der Oberstufe mit Depri-Gassenhauern wie dem wunderschönen "Deine Party", dem hoffnungslosen "In der Überzahl" oder einem der ganz großen Knaller der Platte, der Rock-Version von "Gott sei Dank haben wir beide uns gehabt", zurück ans Lagerfeuer gebeamt. Ja, es war 'ne gute Zeit damals.
Anhand der chronologisch aufgebauten Tracklist kann man die Bandgeschichte schön nacherleben. Beginnend mit Arne Zanks eher fragwürdigen Selbstversuchen bis zur kraftlosen Version von "Sie wollen uns erzählen", die schon ein bisschen aufzeigt, wo der Weg der Drei hingeht. Lo-Fi-Sound wie im Angst-Cover "The Wheater's Fine" ist auf späteren B-Seiten dann komplett verbannt und dementsprechend hinter Stücken wie "Ja" oder dem Turbonegro-Cover "Sailorman" angesiedelt. Auch wenn viele über die neue, glattere Sound-Politur meckern: sie steht ihnen mindestens genau so gut wie ihre neuen schwarzen Hemden.
"10th Anniversary" liefert Songs, die keinen Vergleich scheuen brauchen. Dieses Hit- an Hit-Rennen ist nicht nur was für Fans oder für Sammler, sondern steht in jedem Fall gleichwertig neben den anderen sechs Alben im Schrank.
1 Kommentar
Erster Eindruck:
Gute Zusammenfassung, klasse interpretiert.
Mehr kann ich noch nicht dazu sagen.