laut.de-Kritik
Befreit von poppigem Firlefanz bissiger denn je.
Review von Kai ButterweckDer Kreis schließt sich: Nach "Praise & Blame" und "Spirit In The Room" beendet Tom Jones mit "Long Lost Suitcase" seine im Jahr 2010 gestartete Trilogie. Abermals versammelt er ein gutes Dutzend Songs, die ihn über die vergangenen Jahrzehnte geprägt und begleitet haben.
75 Jahre hat der Tiger mittlerweile auf dem Buckel. Vom tristen Dasein einer zahnlosen Pop-Katze ist er aber noch weit entfernt. Tom Jones hat immer noch Biss. Und befreit von poppigem Firlefanz sogar mehr denn je.
Während sich die beiden Vorgänger eher fokussiert präsentierten, beeindruckt "Long Lost Suitcase" mit einer großen musikalischen Bandbreite. Dabei steht die Stimme des Verantwortlichen stets im Vordergrund. Wahlweise traurig, fast schon schluchzend oder gewohnt impulsiv und testosterongeschwängert erweist der Sänger einer Vielzahl alter Weggefährten seine Ehre. Doch es sind nicht die Hits von Willie Nelson, den Stones oder Hank Williams, vor denen sich Tom Jones verneigt. Vielmehr geht es um den Füllstoff der Musikgeschichte. Und genau das macht dieses Album so wertvoll.
"Factory Girl" dürften wahrscheinlich selbst Stones-Fans nicht auf dem Schirm haben, wenn es um Großtaten von Jagger und Richards geht. Auch Songs wie "Opportunity To Cry" (Willie Nelson) und "Why Don't You Love Me Like You Used To Do" (Hank Williams) haben ihren Urhebern seinerzeit nicht gerade große Türen geöffnet. Für Tom Jones besitzen sie jedoch einen besonderen Wert. Mit viel Herzblut und Leidenschaft nähert sich der Sänger den Originalen, ohne ihnen dabei auf die Füße zu treten.
Instrumentell reduziert auf das Wesentlichste ist es vor allem des Tigers Stimme, die sich verneigt. Selbst wabernde Retroeffekte ("Elvis Presley Blues") und knarzige Bluesstrukturen ("Bring It On Home") stellen sich hinten an, wenn der Maestro seinen Bariton von der Leine lässt.
Und wenn es wie auf dem Billy Boy Arnold-Kniefall "I Wish You Would" oder der Little Willie John-Hommage "Take My Love (I Want To Give It)" dann doch mal etwas rockiger und kantiger zur Sache geht, beweist Jones, dass er auch mit 75 Jahren noch voll im Saft steht.
"Long Lost Suitcase" zeigt die andere Seite des "Sex Bomb"-Sängers, jene, die ihn zu dem hat werden lassen, der er ist: ein großartiger Sänger, dessen Wurzeln wesentlich tiefer verankert sind, als vielen "Delilah"-Fans wahrscheinlich bewusst ist.
2 Kommentare mit einer Antwort
Das schönste Plattencover des Jahres hat er sicher. In der ZEIT wurde das Album auch mit Lob überhäuft und da ich auf dezenten, gut gemachten Vintage-Pop gerade stehe, höre ich wahrscheinlich mal rein.
Yep die letzte Platte von Ihm war auch göttlich , wenn er da anknüpfen kann dann ist die Bewertung bei mir 5/5
Einiges auf der Platte ist mir dann doch zu gefällig geworden. Schade. Ist aber an sich keine schlecht gemachte Musik, aber der "Tiger" will mich hier zum Großen Teil nicht berühren.