laut.de-Kritik
Im Mittelpunkt steht hier die Stimme.
Review von Giuliano Benassi"'Metropolitan Glide'" geht auf eine lange Tradition von Tanzlehrstücken zurück", erzählt Tom Waits in einem Interview. Es gibt da "den 'Low Bottom', den 'China Moon', den 'Black Swan', den 'Way Too Soon'". Aber auch "den 'Ace Pocket', 'Dog Bone Gone', 'Peacock' und den 'Mean Black Swan', der wiederum anders geht als der 'Black Swan'. Es stecken also eine ganze Menge Informationen in diesem Song."
Stammten die Stücke aus den 2002er Alben "Alice" und "Blood Money" noch aus Theaterstücken Robert Wilsons, entstand "Real Gone" wieder aus eigens komponiertem Material. Das Stück "Metropolitan Glide" steht dabei symbolisch für den musikalischen Inhalt: Neben Blues sind auch jamaikanische Rocksteady-Grooves sowie afrikanische und lateinamerikanische Rhythmen zu hören. "Cubist Funk", nennt Waits die eigenwillige Mischung.
Zunächst fällt auf, dass er zum ersten Mal ganz auf sein Klavier verzichtet. Im Mittelpunkt steht seine Stimme, die nicht nur Geschichten und Gedanken vorträgt, sondern auch als Rhythmusgrundlage dient. Ein Schlagzeug ist auf dem ganzen Album nicht zu finden. Wo nötig, liefern Perkussionen und Scratcheinlagen seines Sohnes Caseys den notwendigen Rumms.
Schon der Opener "Top Of The Hill" besticht durch seine aus den Tiefen empor steigenden Klangfetzen. Erstaunlich, wie musikalisch "Real Gone" ist, obwohl die einzelnen Elemente kaum zusammen zu passen scheinen. "Hoist That Rag" besteht aus dumpfen Trommeln, einer dreckigen karibischen E-Gitarre, dem angefunkten Bass Les Claypools (Primus) und Waits' tiefer Stimme, die sich so anhört, als ginge sie durch ein Megaphon. Erst das melancholische, zehnminütige "Sins Of The Father" bringt etwas Ruhe in die morbid anmutende Grundstimmung.
Im weiteren Verlauf wechseln sich schnellere Stücke wie "Don't Go Into The Barn", "Baby Gonna Leave Me" oder "Make It Rain" mit langsameren wie "How's It Gonna End", "Dead And Lovely" oder "Green Grass" ab. "In Trampled Rose" singt Waits erstaunlich klar und hoch – oder handelt es sich etwa um seine Frau Kathleen Brennan, die auch beim Schreiben und der Produktion eine wichtige Rolle spielte? "Day After Tomorrow" stammt nicht nur aus dem Soundtrack zum gleichnamigen Film Roland Emmerichs, sondern ist eine jener herzzerreißenden Balladen, wie nur Waits sie hinkriegt.
Als Hidden Track fügt er noch eine Kostprobe seiner Rapkünste (oder, wie er es nennt, "human beatboxing") hinzu. Zwar reiht sich "Real Gone" musikalisch in die Tradition seiner letzten Vorgänger ein, dennoch gelingt es Waits, nach guten dreißig Jahren und über zwanzig Platten immer noch zu erstaunen und zu fesseln. Dadurch genießt er nicht nur die Gunst der Kritiker, sondern sorgt auch beim Publikum für Furore: Seine drei Konzerte in Berlin im November 2004 waren kurz nach ihrer Ankündigung trotz horrender Eintrittspreise im Nu ausverkauft.
8 Kommentare
Das neue Waits Album...
Zuerst einmal, es klingt nicht wirklich so wie die beiden letzten Alben "Blood Money" und "Alice". Und es klingt auch nicht wie frühere Alben.
Waits hat mal wieder neue Wege beschritten.
Mit was hier alles Töne erzeugt wurden ist schon überwältigend, größtenteils poltert es nur so aus den Boxen.
Der gute Tom hat sich zuhause in seine Badewanne gesetzt und mit seinem Mund Töne erzeugt, die sein Sohn dann beattechnisch verfeinert hat und dazu kommt natürlich noch die unwervechselbare Waitsche Stimme.
Aber es gibt auch einige "typische" ruhigere Stücke, die dann doch wieder ein wenig an alte Zeiten erinnern.
Alles in Allem gefallen mir die lospolternden Songs auf der Cd besser, weil sie einfach einen unglaublichen Groove haben (man höre nurmal "Top Of The Hill" oder "Clang, Boom, Steam").
Ich finde es einfach mal wieder wunderbar so ein Album zu hören, von jemanden der so weit entfernt ist vom Musik"business" und sein eigenes Ding durchzieht.
Was sagt ihr zum neuen Album vom Tom?
Falls es noch ein paar Fans, da draussen, gibt...
Waaaaaaas neues Tom Waits Album?
das habe ich wohl voll verpennt... Bin zwar nicht der absolute Fan aber Tom Waits finde ich schon äußerst genial.
Muss ich unbedingt demnächst mal reinhören.
Solltest du machen, mein Freund.
Der alte Waits ist dem alten Shatner immernoch vorzuziehen. Zwinker, zwinker...
Melde dich mal, wenn du reingehört hast.
Mit "Real Gone" gelang Waits ein weiteres Meisterwerk, allerdings würd ich es nicht als total neu bezeichnen. Für mich ist es eine geniale Kombination aus "Swordfishtrombones", "Rain Dogs" und "Bone Machine".
Als ich die Platte zum ersten Mal hörte (ich bin einer derjenigen, die gleich am Erscheinungstag dieser Platte in den Laden stürmten) war ich anfangs etwas geschockt, weil ich mit dem Opener "Top Of The Hill" überhaupt nichts anfangen konnte. Aber allein schon "Hoist That Rag" mit Waits brillant jammernden und schreienden Gesang und dem fantastischen Gitarrenspiel von Marc Ribot (zwar nur ein Lick, das ich aber in einer Endlosschleife hören könnte) und auch das Percussionspiel ist traumhaft. "Sins Of The Father" ist ein weiterer Geniestreich, das nie endet und wiederum traumhaft instrumentiert wurde. "Shake It" ist der pure Hammer - der Titel ist Programm. Gleiches trifft auf "Don't Go Into The Barn" zu - da stimmt alles. "How's It Gonna End" ist ein wunderbarer Blues, der erstmal für Ruhe sorgt. Allerdings wird diese vom funkig-bluesigen Reißer "Metropolitan Glide" gestört. "Dead & Lovely", "Trampled Rose" und "Green Grass" sind wunderbare Balladen mit wiederum tollem Gitarren- und Percussionspiel ebenso glänzt der Bass und natürlich Waits' Gesang. "Circus" ist ebenso brillant wie "What's He Building" und ebenso atmosphärisch. Die gesamte Platte hat eine wunderbar düstere Atmosphäre. "Baby Gonna Leave Me" und "Clang Boom Steam" und der Bonustrack "Chickaboom" sind klassische Lärmer, klasse! Dann kommt das geniale "Make It Rain", das einfach wieder Waits in Topform ist. "Day After Tomorrow" passt beim Hören dieser Platte eigentlich überhaupt nicht rein, aber wenn man es einzeln hört, ist es eine wunderschöne Ballade und einer der vielleicht zugänglichsten Lieder von Waits seit 1983.
Ich kann nicht anders als diese Platte jedem zu empfehlen. Sie ist grandios und das ist noch untertrieben. Ich freu mich schon tierisch Waits und Band im November live in Berlin zu sehen...
Das beste seit Alice und das beste vor Orphans.
Mit anderen Worten, es gibt keine schelchten Platten von Tom Waits, er hält einfach immer son so hohes Niveau, das ist unglaublich!
gibt nen neue version von real gone! hört mal rein!