laut.de-Biographie
Torch
"Bist du nicht der, der auf VIVA moderierte? In Graffiti investierte, alles mit Tags bombardierte? Der meist zitierte, gesamplete, kopierte? Der Freestyle auf Deutsch als erstes präsentierte?" Kollege Toni L könnte noch stundenlang so weitermachen.
Alle Facetten des Frederik Hahn einzufangen, dürfte sogar dem nicht auf den Mund gefallenen Funkjoker schwer fallen. Der Heidelberger, der sich den flammenden Alias Torch zulegen wird, genießt in der sonst so zerstrittenen Hip Hop-Gemeinde weithin gediegenes Ansehen.
Kein Wunder, hebt er doch bereits in den frühen 80ern in Deutschland eine Sprechgesangs-Szene aus der Taufe. Zu einem Zeitpunkt, da hierzulande noch höchst verschwommene Vorstellungen herrschen, was das überhaupt darstellen soll – dieses ... Hip Hop.
Torch fängt sich den Virus ein - frühzeitig und nachhaltig. Natürlich rappt er zunächst - wie die US-amerikanischen Vorbilder - auf Englisch. Als erster erkennt er aber das Potenzial, das im Nutzen der eigenen Muttersprache steckt und wechselt ins Deutsche.
Torch leistet Pionierarbeit, legt die Grundsteine für eine einheimische Rap-Bewegung. Er legt Platten auf, breakt und sprüht, landet deswegen mehrfach vor Gericht. Afrika Bambaataa persönlich adelt ihn schon 1985 zum ersten Zulu-Nation-Chapter Deutschlands.
Zwei Jahre später gründet Torch mit seinem Langzeit-Weggefährten Toni L, Linguist, Gee One und DJ Mike MD Advanced Chemistry. Mit politischen Botschaften und deutlich ernsterem Ansatz liefern sie den dringend nötigen Gegenentwurf zu den inzwischen kommerziell deutlich erfolgreicheren Fantastischen Vier.
Ein einziges Album veröffentlicht Torch im Lauf seiner Karriere: "Blauer Samt" erscheint im Jahr 2001 und wird zehn Jahre später anlässlich Torchs 40. Geburtstag noch einmal neu aufgelegt. Nur eine Platte - und doch darf niemand in unseren Breiten stolzer von sich behaupten: "Ich lebe für Hip Hop."
Seine haitianischen Wurzeln, sein Umfeld, seine Zeit - das alles prägt den jungen Frederik Hahn. Politische Aussagen, Battlerap und berührende Poesie sprechen, je nach Bedarf, aus seinen Zeilen.
Torch betätigt sich zudem als Veranstalter, DJ und Labelbetreiber. Unter dem Alias Haitian Star bringt er Clubs zum Beben. Seine Plattenfirma 360 Grad Records dient zahlreichen Kollegen, darunter Toni L, DJ Stylewarz oder dem oft verkannten Rap-Pionier Grandmaster Caz, als Plattform.
Mit dem Hilfsnetzwerk Marasa unterstützt Torch Projekte in seiner zweiten Heimat Haiti. Irgendwo liefert Torch wohl den lebenden Beweis für die Richtigkeit einer These, die viel später ein ganz anderer aufgestellt hat: "Rap braucht kein Abitur."
Ein waches Auge und ein offenes Ohr dagegen: unverzichtbar. "Ich banne Phasen meines Lebens auf einen Beat", erklärt Torch in "Kapitel 29". "Lass' Musik dorthin gehen, wohin mein Geist mich zieht. Schalt' die Lichter auf mich, alle Scheinwerfer an und lasst mich reden." Gerne: Bühne frei!
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