laut.de-Kritik

Elton John, Springsteen u.a. gegen den Strich gebürstet.

Review von

Um gleich mal mit dem Reizthema zu beginnen: Elton John-Fans werden Bonnie 'Prince' Billy und Tortoise mit ihrem "Daniel" wohl eher vor den Kopf stoßen. Unordentlich, schepprig und löchrig kommt schon das schräge Sound-Fundament daher, und spätestens, wenn nach einigen Sekunden die Stimme einsetzt, möchte man die verantwortlichen Tontechniker zur Gehörlosenhilfe schicken.

Die Aufnahme scheint enorm übersteuert und weckt Erinnerungen an die seligen Zeiten, in der man die Plattenspielernadel regelmäßig von wollknäueldicken Staubbatzen befreien musste. Sind wir hier im Kindergarten? Hatten die Musiker kein Zutrauen zu ihrer Neufassung, hatten sie das Gefühl, ihren missratenen "Daniel" unter einem derart grottigen Sound verstecken zu müssen?

Wohl nicht. Vielmehr gehen Billy und Co die Cover-Versionen mit dem selben anarchistischen Augenzwinkern an, das man von ihnen gewohnt ist. Was liegt da näher, als den König der Hochglanz-Popstars erst einmal gänzlich zu entkleiden, ihn in Sack und Lumpen zu hüllen, um zu erforschen, was vom Charakter dann noch übrig bleibt.

Nach diesem Titel (und vor allem dem vorhergehenden "It's Expected I'm Gone") hat der Hörer auch schon die schlimmsten Krachattacken überstanden. Tortoise gelten ja spätestens seit "Standards" als ausgewiesene Krawallbrüder und Grobiane, die keine Konventionen anerkennen. Doch in dieser Zusammenarbeit gibt meist der Leisetreter Oldham den sensiblen Takt an.

Zwar bürstet das seltsame Gespann ausnahmslos jeden Track gegen den Strich. Doch das bedeutet nicht immer Lärm und Chaos. So betten Tortoise etwa Springsteens "Thunder Road" in weich vibrierende Keyboardklänge, während Oldham mit seinem fragilen Organ die Gesangsstimme nur zu träumen scheint.

Dem an sich schon beschwingten Opener vom brasilianischen Grammy-Gewinner Milton Nascimento treiben sie mit Rockschlagzeug und harten Gitarrenklängen noch die letzte Gemütlichkeit aus, ohne ihm die Eingängigkeit zu nehmen. In Lungfishs "Love Is Love" treiben sie die Gegensätze zwischen dem gewaltigen, von mechanischen Beats getriebenen Keyboard-Dröhnen einerseits und verlorener Seele andererseits auf die Spitze.

Mit großer Unbefangenheit nähern sich Tortoise/Oldham auch den anderen, eher selten zu hörenden Titeln. Mit kindlichem Eifer nehmen sie sie auseinander, um zu sehen, was in ihnen drin ist und wie sie funktionieren. Dass das Spielzeug dabei gelegentlich Schaden nimmt, liegt wohl in der Natur der Sache ...

Trackliste

  1. 1. Cravo E. Canela (Milton Nascimento)
  2. 2. Thunder Road (Bruce Springsteen)
  3. 3. It's Expected I'm Gone (Mike Watt)
  4. 4. Daniel (Elton John)
  5. 5. Love Is Love (Lungfish)
  6. 6. Pancho (David Hanner)
  7. 7. That's Pep! (Allen Mothersbaugh)
  8. 8. (Some Say) I Got Devil (Melanie Safka)
  9. 9. The Calvary Cross (Richard Thompson)
  10. 10. On My Own (Quix*o*tic)

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