laut.de-Kritik
Seltsam stimmige Hybriden aus Grime, Rap und Pop.
Review von Dani Fromm"This is the only road to success that we know", tönt es aus dem abschließenden "Cold Summers". Das macht überhaupt nichts. Gut möglich, dass Tre Mission mit seinem Debüt zumindest das Fundament für den Highway gelegt hat, auf dem Grime aus seinem Nischendasein in britischen Kellern endlich ins gleißende Licht der Mainstream-Popularität rauscht.
"Stigmata" nämlich hinterlässt einen ausgesprochen versöhnlichen Eindruck: ein Album mit dem Potenzial zum Brückenschlag zwischen den Lagern. Den Hardcore-Grime-Jüngern mag an der einen oder anderen Stelle der richtig finale, dreckige Wumms fehlen. Zugang zu Tre Missions Klangkosmos dürften sie aber genauso mühelos finden wie Rap-Fans, Drum'n'Bass-Anhänger und sogar Pop-Freunde, die den Blick über den Tellerrand nicht scheuen.
Der Kanadier macht es allen möglichen Zielgruppen leicht: Sein Flow erinnert gelegentlich an die Wortkaskaden eines Aesop Rock, dreht dabei aber längst nicht in dessen abgefahrenen Assoziations-Sphären frei. Die Melodien, die er in seine Zeilen flicht, verleihen ihnen einen charmanten karibischen Touch. An anderen Stellen lässt er seine Stimme leicht überschnappen und rattert los wie der junge Dizzee Rascal - in dessen Richtung "Boy In The Corner" grüßt. Kein Wunder, dass Grime-Pionier Wiley oder Kanadas Rap-Größe Saukrates da gerne für ein Feature um die Ecke schauen.
Doch Tre Mission besitzt nicht nur Zungenfertigkeit, sondern darüber hinaus erhebliches Produzententalent. Seine Beats vollziehen mit betörender Sicherheit den Balanceakt zwischen vordergründiger Melodieseligkeit und (oft gut getarnt) darunter schlummernder Härte. Als sei es das Selbstverständlichste der Welt, jagt er durch entspannt-chillige Klangwelten einen gehetzten Drumbeat, spannt er ploppende Synthiesounds mit entrücktem Frauengesang zusammen, wirft zischelnde Hi-Hats, schnarrende Snares und warme Klaviernoten in einen Topf.
Pop, Rap, Grime, Drum'n'Bass und R'n'B verpaaren sich unter seiner Regie zu den wunderlichsten, dennoch am Ende seltsam stimmigen Hybriden, die munter über Genregrenzen hinweg setzen und Hörgewohnheiten auf den Prüfstand stellen, ohne dabei zu befremden - und das, obwohl Tre Mission altvertraute (und damit entsprechend ausgelutschte) Klischeeklippen erfolgreich umschifft. So klingt etwa der Frauengesang im Chorus von "Stigmata" eben nicht wie die tausendunderste R'n'B-Hook, sondern bezirzt mit asiatischem Einschlag und geradezu feenhafter Erscheinung.
An den Tracklängen könnte man noch feilen. Was mir "In The Hallway" mit träge tropfenden Bässen, weil zu lahm, zu lang vorkommt, hätte ich lieber bei "Rally" noch drangehängt gehört: "Welcome to the bad man party", gibt JME, neben Wiley und Skepta der dritte Gast aus den Reihen von Roll Deep, da den Türöffner. Doch das herrlich scheppernde, schrappende Beatvergnügen, in dem mal eben noch ein Schwung Streicher vorbeifiedelt und das seiner Detailfülle zum Trotz absolut schlank und aufs Wesentliche heruntergebrochen wirkt, währt nicht lange: Nach knapp zwei Minuten kehren die einen schon wieder auf die Straße. Wie gemein.
Noch keine Kommentare