laut.de-Kritik
Lynchs Liebling kann auch rocken.
Review von Daniel StraubIch kann mich noch recht gut daran erinnern, als mir der Name Trentemöller das erste Mal begegnet ist. Es war 2005, der Track hieß "Physical Fraktion". Minimal war damals voll in Mode, und obwohl Trentemöller irgendwie in diese Schublade passte, wabberten im Hintergrund dubbige Sounds, die erahnen ließen, dass sich der Newcomer auf mehr als lediglich seine Beats verstand. Eine Ahnung, die sich mit "Lost" eindrücklich bestätigt.
Spätestens seit Kultregisseur David Lynch die Musik von Anders Trentemöller zu einer seiner Inspirationsquellen erklärt hat, begleitet ein ziemlicher Medienrummel inklusive dem damit einhergehenden Erwartungsdruck jedes Albumrelease des Dänen. Das ist auch jetzt bei "Lost", seinem nunmehr dritten Longplayer, wieder so. Viel daraus zu machen scheint sich Trentemöller nicht.
Das verbindet ihn genauso mit seinem Fan wie das Bemühen, sich einengenden Kategorisierungen zu entziehen. In diesem Sinne ist "Lost" die Fortsetzung des Abnabelungsprozesses, der mit seinem zweiten Album "Into The Great Wide Yonder" vor drei Jahren erstmals deutlich hörbar wurde. Trentemöller kehrt elektronischer Clubmusik den Rücken und sucht sich ein künstlerisches Betätigungsfeld, das ihm mehr Freiheiten lässt.
Das hat er gefunden, indem er in den vergangenen Jahren eine Band um sich herum gruppierte. Klanglich verhilft ihm diese zu einer lebendigen Fülle in seinen Tracks und Songs, die mit Sampler und Synthesizer nicht zu erreichen wären. Ein Track wie "Trails" lebt ganz eindeutig von seinem mächtigen Groove. Der erstarrt dank Bass und Schlagzeug aber nicht zu einer starren Beatwalze, sondern entwickelte eine emotionale Dynamik, die so etwas wie das durchgehende Thema von "Lost" bildet.
Um die pulsierenden Grooves herum entwirft Trentemöller einen melodisch-verträumten, oftmals schwelgerischen Kosmos. Das klingt dank hervorragender Vocals von Jana Hunter, Marie Fisker, Ghost Society sowie Gastbeiträgen von Blonde Redheads Kazu Makino und Sune Rose Wagner von den Raveonettes oftmals wie von einem anderen Stern. Nur einmal bei "Never Stop Running" vergaloppiert sich Trentemöller mit Johnny Pierce am Mikrofon in schwülstigem Kitsch.
Das bleibt aber auch der einzige Ausrutscher auf "Lost". Ansonsten gewinnt man den Eindruck, dass sich Anders Trentemöller derzeit reichlich wohl fühlt. Einen Beleg dafür waren auch seine Shows im Sommer. Hier konnte man erleben wie gut Band und Bandleader inzwischen harmonieren und wie gut es der Musik des Dänen tut, auf einer großen Bühne vorgetragen zu werden.
1 Kommentar
Sehr schönes, intensives und abwechslungsreiches Hörerlebnis. Tolle Gastsänger/innen bereichern die kreativen Sounds. Bei "Never Stop Running" höre ich "The Cure" und keinen schwülstigen Kitsch. Aber vielleicht sollte ich mal zum HNO... Tolles Album - 5 Sterne deluxe!