laut.de-Kritik

Next Level Hardcore!

Review von

Es ist Mitte Juli 2021 und in den sozialen Netzwerken kursiert ein Foto von einer Reklametafel irgendwo in Baltimore. Weiße Wolken auf pinkem Untergrund, dazu in dicken Lettern die Ankündigung: "Band: Turnstile, Album: Glow On, Date: August 27, 2021". Mehr braucht es nicht für den Hype. Spätestens mit "Time & Space" hat sich Turnstile eine gewaltige Fancommunity erspielt, und die Fachpresse schwärmt von dieser Band, die den Hardcore-Sound der 80er und 90er Jahre mit frischen Elementen kombiniert.

"Glow On" kommt zur perfekten Zeit. "I want to trust, less loneliness/A little charm, a constant rush!", schreit Sänger Brendan Yates auf "TLC (Turnstile Love Connection)". Das kann man nach zwei Jahren in den eigenen vier Wänden, ohne Konzerte oder Mosh Pits sofort absegnen. Turnstile sind auf jeden Fall richtig hungrig und liefern mit dem aktuellen Release die beste Platte in der bisherigen Diskographie. "Glow On" klingt ein bisschen so wie ein Besuch im Vergnügungspark, bei dem man in einer Welt aus Attraktionen und Glitzer von einer Ecke in die nächste taumelt und dabei jede Menge Spaß hat, aber auch etwas überfordert ist. Denn das neue Album hat vor einem alles: viel. Viele musikalische Ideen, viele Breaks, viele Wechsel, einfach viel von allem.

Während "Time & Space" noch relativ vorsichtig an den Genre-Grenzen kratzte, ziehen die Amerikaner auf "Glow On" alle Register. Bereits im Opener "Mystery" werden die Synthesizer ausgepackt und die Riffs brettern ordentlich. Weiter geht es mit "Blackout", einer klassischen Rock-Nummer mit Cowbell-Beat und unverschämt eingängigem Refrain. Bei "Don't Play" wechselt die Band spielerisch zwischen den Zählzeiten und wechselt von der straighten Punk-Nummer zu einem Chrous aus Klaviergeklimper und Percussion-Sounds. "Underwater Boi" startet mit einem King Krule-haften Intro und wandelt sich dann zum Midtempo-Rocksong. "Holiday" ist ein absolutes Highlight des bisherigen Diskographie und bringt auf den Punkt, was Turnstile ausmacht: Smash-Hits mit einem absoluten Ohrwurm-Potenzial, bei denen der Putz von der Decke rieselt und deren Refrains man bereits nach ein paar Takten mitsingen kann.

"Fly Again" beginnt mit einem verhallten Piano und wird überraschend zum Rock-Biest. Für "Alien Love Call" und "Lonely Dezires" holt sich die Band Unterstützung von Blood Orange und taucht ein in die Welt des Shoegaze. "Alien Love Call" sticht hervor als einer der ruhigeren Songs der Platte, quasi so etwas wie eine Verschnaufpause in dem Trubel aus Glitzer, rasanten Drums und fetten Riffs.

Fünfzehn Songs dauert die wilde Fahrt, beim ersten Durchgang ist man schnell überfordert von dieser doch etwas wirr anmutenden Platte. Im Vorfeld veröffentlichten Turnstile bereits als Appetizer die EP "Turnstile Love Connection", die um einiges stringenter wirkte als der aktuelle Output. Aber kann man einer Band wirklich Experimentierfreude vorwerfen, wenn dabei derart geniales Material entsteht? "Glow On" ist ein Album, das sich nicht um Genregrenzen oder Schubladen schert und genau deshalb überzeugt. Jetzt schon ein Klassiker!

Trackliste

  1. 1. Mystery
  2. 2. Blackout
  3. 3. Don't Play
  4. 4. Underwater Boi
  5. 5. Holiday
  6. 6. Humanoid/Shake It Up
  7. 7. Endless
  8. 8. Fly Again
  9. 9. Alien Love Call (ft. Blood Orange)
  10. 10. Wild Wrld
  11. 11. Dance-Off
  12. 12. New Heart Design
  13. 13. T.L.C. (Turnstile Love Connection)
  14. 14. No Surprise
  15. 15. Lonely Dezires (ft. Blood Orange)

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