laut.de-Kritik
Zeitloses Meisterwerk mit Verve und ohne jede Patina.
Review von Ulf Kubanke"Wenn du gewinnen willst, bereite dich darauf vor, manchmal zu verlieren. Und behalte ein paar verdeckte Karten in der Hinterhand. Denn der Kampf hört im Leben niemals auf." So lautet die Lebensphilosophie Van Morrisons.
Irand 1974: Morrison geht es nicht gut. Seine Ehe ist gerade den Bach herunter gegangen. Er begibt sich zum Wundenlecken in den Schoß der Heimat. So betrüblich die Umstände auch sein mögen. Künstlerisch sollen sie sich auszahlen.
Falls die alte These stimmen sollte, wonach großer Schmerz meist in ebenso großer Kunst mündet, ist "Veedon Fleece" ihr bester Kronzeuge. Der Belfaster nimmt alle Pein und gießt sie in eine Form so finster wie sein Befinden, dabei so grün wie die Hügel Irlands. Heraus kommt eine der besten Platten von Van the Man. Eine dunkle Gegenthese zu "Astral Weeks" und dem lauschigen "Moondance". Hier gibt es mehr Aggression in den schreienden Momenten und echte Bitternis in den melancholischen Augenblicken.
Dass Morrisons Privatleben den Blues schiebt, tut seiner Musik hörbar gut. Blues und Soul klingen hier schroffer als je zuvor. Der Nordire legt vom ersten Track bis zur letzten Note eine Mischung aus Verzweiflung und ungebrochener Kämpfernatur aufs Parkett.
Als sarkastisch-sinistrer Crooner webt er dazu nachtschattigen Folk, in den er die gesamte empfundene Einsamkeit packt. "Oh ain't it lonely when you're livin' with a gun? Well you can't slow down and you can't turn 'round. And you can't trust anyone" ("Who Was That Masked Man"). Auf diese Weise komplettiert er sein Repertoire und toppt den kreativen 1968-1974-Höhenflug.
Aus dieser Liaison zerrender Leidenschaft mit superbem Songwriting erheben sich zwei Giganten: "Streets Of Arklow" ist eine der schönsten Balladen aller Zeiten in allen Welten. Die perfekte Melodie transportiert Fernweh, Romantik und ein melancholisches Gefühl des Verlustes zu gleichen Teilen. "We love to wander, Lord we love, Lord we love to roam."
"You Don't Pull No Punches But You Don't Push The River" ist ein fantastisches Roadmovie entlang der Westküste Irlands. Stimmlich räumt er den Soul hier so dermaßen bissig und mitreißend ab, dass man die weiße Hautfarbe und das rote Haar Morrisons unwillkürlich für einen derben Scherz der Natur hält. "We're goin' out in the country to get down to the real soul, I mean the real soul, people!" Neben den Vocals stechen vor allem John Trumbos kongeniales Piano und die großartige funky Flöte James Rothermels heraus.
Morrison spielt beide Tracks gern live hintereinander als ultimative Geheimwaffe seiner Gigs. So bietet "Veedon Fleece" den perfekten Moment für Novizen und altgediente Jünger gleichermaßen. Ein zeitloses Meisterwerk mit Verve und ohne jede Patina.
1 Kommentar mit einer Antwort
PS:
Die Leidenschaft und Stärke der Songs übt beträchtlichen Einfluss auf die verschiedensten Künstler aus. Josh Klinghofer (Red Hot Chili Peppers) oder Elvis Costello gehören zu den erklärten Bewunderern dieser zehn Lieder. Für Sinead O' Connor ist es die ultimative Lieblingsplatte und zeitlebens die einzige Musik, die sie sich zur Inspiration vor eigenen Auftritten gönnt.
P.P.S.: *ratzepüh*