laut.de-Kritik

Naidoo, Thomas D, BAP u.a. gratulieren zum Sechzigsten.

Review von

"Was, jetzt schon?" fragte Reinhard Mey verblüfft zu seinem Fünfzigsten. "Hat meine Jugend über Nacht sich leise aus dem Staub gemacht und ich habs gar nicht mitbekommen?" Inzwischen ausgestattet mit allerlei Preisen (neben einem Lebenswerk-Echo und jeder Menge anderer Schallplattenpreise auch ein Bundesverdienstkreuz) ereilt ihn zehn Jahre nach diesen poetischen Worten die Ehre einer Doppel-CD-Hommage. Am 21. Dezember 2002 wird der Troubadour 60!

Langjährige Weggefährten und Vertreter der jungen Generation haben für dieses Ereignis jeweils einen Titel aus seinem umfangreichen Repertoire - mehr als 500 Titel auf knapp 50 Alben - ausgewählt und neu interpretiert. Verdient hat sich das der "zugkräftigste Chansonnier" (Stuttgarter Zeitung) allemal. Immerhin gehören Zeilen wie "Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein" oder "Der Mörder ist immer der Gärtner" zum deutschen Kulturwortschatz. Das Geheimnis dieses Erfolgs liegt in Meys scharfsinnigen Beobachtungsgabe gepaart mit ungeschminkter Privatheit, die ihn Texte und Melodien schreiben lässt, in denen sich die Hörer mit all ihren kleinen und großen Sorgen wiederfinden.

Dieses sich Wiedererkennen und Einfühlen ist den Interpreten seiner Songs bis auf wenige Ausnahmen sehr wohl gelungen. Am glaubwürdigsten rücken dabei Xavier Naidoo, Glashaus, Luka Neuser, Konstantin Wecker und Hannes Wader ihre Interpretationen ins rechte Licht.

Auf CD 1, genannt "Mey", schwebt Erstgenannter mit der Soul-Ballade "Über den Wolken" und ist dabei dem Herrn wieder recht nahe. Bap haben mit "Kasper" eine inhaltsschwangere Geschichte gewählt, die auf kölsch in guter Deutschrockmanier natürlich echt dick aufträgt. Thomas D kann mit seiner pathetischen Spoken-Word-Hip Hop-Version von "Erbarme dich" nicht fesseln. Wirklich unangenehm fallen Headroom auf. Ihr tumber House hat echte Westbam-Qualitäten. Stoppok leitet mit "Gute Nacht, Freunde ... es wird Zeit für mich zu gehen" den ersten Silberling etwas unmotiviert aus.

Nun kommen die vermeintlichen Duz-Freunde zu Wort. CD zwei trägt den Titel "Reinhard" und glänzt mit einem Reigen etablierter Liedermacher. Reptilien wie Hannes Wader, Konstantin Wecker, Hermann van Veen und Klaus Hoffmann machen ihre Sache ernsthaft gut. Die Interpretationen der Spaßfraktion Guildo Horn, Jürgen von der Lippe, Götz Alsmann und Karl Dall lösen dagegen manchmal einen Widerspruch zu den textlichen Aussagen aus, ist doch die bloße Erwähnung ihres Namens stark mit Blödel-Assoziationen behaftet. Sich von diesen zu befreien dürfte nicht nur mir schwer fallen.

Ein durchwachsener Eindruck bleibt auch nach mehrmaligem Hören als Fazit zurück. Genug überzeugendes Material, um aus zwei eins zu machen, ist auf der "Hommage An Reinhard Mey" allemal zu finden. Schade nur, dass sie kopiergeschützt erscheint, sonst könnte sich jeder seine individuellen Bevorzugungen zusammen stellen. Übrigens: Dass die Jugend sich derweil aus dem Staub gemacht hat, erkennen sie, Herr Mey, just an der vorliegenden musikalischen Würdigung. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

Trackliste

  1. 1. Über Den Wolken
  2. 2. Ich Bring Dich Durch Die Nacht
  3. 3. Liebe Ist Alles
  4. 4. Kaspar
  5. 5. Erbarme Dich
  6. 6. Vernunft Breitet Sich Aus Über Die Bundesrepublik Deutschland
  7. 7. Gib Mir Musik
  8. 8. Wie Vor Jahr Und Tag
  9. 9. Gute Nacht,Freunde
  1. 1. Ich Wollte Wie Orpheus Singen
  2. 2. Komm Giess Mein Glas Noch Eimal Ein
  3. 3. Das Alles War Ich Ohne Dich
  4. 4. Lass Liebe Auf Uns Regnen
  5. 5. Einen Antrag Auf Erteilung Eines Antragsformulars
  6. 6. Viertel Vor Sieben
  7. 7. Aus Meinem Tagebuch
  8. 8. Allein
  9. 9. Der Mörder Ist Immer Der Gärtner
  10. 10. Diplomatenjagd
  11. 11. Reinhard

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